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MTU: Der Schneeräumer mit Sechszylinder-Motor

Kehrblasmaschinen
MTU: Der Schneeräumer mit Sechszylinder-Motor

Wohl kaum ein Ort auf dem Frankfurter Flughafen ist so hermetisch abgeriegelt wie die Start- und Landebahnen. Mit Ausnahme der Flugzeuge kommt kaum einer darauf. Doch es gibt eine Ausnahme: Die Fahrzeuge der Firma Øveraasen. Wenn’s schneit oder der Boden vereist ist, rücken sie aus und pflügen, kehren und blasen die Bahn wieder frei – innerhalb weniger Minuten und mit einer Wucht, die ihnen die Kraft eines MTU-Motors zur Verfügung stellt.

 

Lucie Maluck, Redaktionsleitung des Kundenmagazins MTU Report, Rolls-Royce Power Systems, Friedrichshafen

Ein Auto bei Schnee und Eis zu fahren, ist schwierig, aber machbar. Es soll sogar Fahrer geben, die Spaß daran haben. Beim Piloten eines Flugzeugs sieht das anders aus. Denn anders als ein Autoreifen hat ein Flugzeugreifen nur Längs- und keine Querrillen – und somit keinen Grip. Liegt Schnee auf der Start- und Landebahn, rutscht sein Flugzeug sofort zur Seite weg. „Die Piloten haben aber auch nie die Gelegenheit, das zu üben“, erzählt Detlef Tauchnitz, der u. a. die Fraport-Einsatzleiter ausbildet. Er arbeite im Bereich Infrastruktur – Flughafenanlagen und Flächendienstleistungen der Fraport AG, der den operativen Winterdienst auf dem Rollfeld, den Betriebs- und öffentlichen Bereichen des Flughafens Frankfurt verantwortet. Gemeinsam mit seinen Kollegen ist er unter Leitung des schichtführenden Betriebsleiters dafür zuständig, dass die Start- und Landebahnen, die Rollwege und die Parkpositionen der Flugzeuge auf dem Frankfurter Flughafen frei von Eis und Schnee sind.
Immer ein Ohr am Wetterbericht
Seit 14 Jahren ist Tauchnitz Verfahrenstrainer im Bereich Winterdienst am Frankfurter Flughafen. Um einen funktionierenden Winterdienst zu gewährleisten, bekommt er dreimal täglich vom Deutschen Wetterdienst die aktuellsten Wettervorhersagen zur Verfügung gestellt. Damit hat Tauchnitz immer ein Ohr am Wetterbericht und ist jederzeit bereit für einen Einsatz. Denn wenn sich winterliche Bedingungen ankündigen, wird immer die gleiche Prozesskette in Gang gesetzt: Der Wetterdienst informiert den Flugbetriebsleiter, den Winterdienstkoordinator und dieser den operativen Winterdienst.
Der Winterdienstkoordinator entscheidet, welches der drei Szenarien aufgerufen wird: Das Szenario Streudienst bedeutet, dass lediglich Streufahrzeuge eingesetzt werden müssen. Kleiner Winterdienst hat zur Folge, dass zwei Einsatzzüge bereitstehen, um Bahnen und Rollfeld von Schnee und Eis zu befreien. Beim Großen Winterdienst stehen vier Einsatzzüge – und damit alle vorhandenen – zum Einsatz bereit. Diese werden ergänzt durch eine Spezialeinsatzgruppe, die auf die Räumung der Rollbrücken spezialisiert ist. Unabhängig von den ausgerufenen Szenarien für die Start- und Landebahnen, wird der Winterdienst im Betriebs- und öffentlichen Bereich des Flughafens sichergestellt.
Am heutigen Tag sieht es aber ganz und gar nicht nach Schnee aus. Es ist neblig und trüb – typisches Novemberwetter. Tauchnitz hat den ersten Einsatzzug zur Übung zusammengerufen. Heute Nacht, wenn nach 23 Uhr keine Flugzeuge in Frankfurt mehr starten und landen, üben sie den Ernstfall. Sie, das sind die 14 Fahrer des Einsatzzuges FR77. Ihre Fahrzeuge sind mit grünen Punkten markiert, die zeigen, dass sie zusammengehören. Noch stehen die Fahrzeuge auf einer Nebenbahn und die Fahrer machen die Kehrblasgeräte bereit, die sie heute Nacht fahren werden. Einer von ihnen ist Joachim Jung. Der Mittfünfziger ist eigentlich selbstständiger Raumausstatter, doch im Winter arbeitet er nebenberuflich beim Winterdienst des Frankfurter Flughafens. Und damit ist er kein Einzelfall.
Spielplatz für große Männer
Insgesamt knapp 1400 Beschäftigte sind in der Saison 2015/2016 im Einsatz. Etwa die Hälfte steht in den Monaten zwischen November und März auf Abruf bereit. Häufig sind dies Landwirte, Winzer oder Beschäftigte aus der Baubranche sowie Rentner, die einen entsprechenden Führerschein besitzen und im Sommer an den vorbereitenden Schulungen der Fraport AG teilgenommen haben. Viele von ihnen möchten ein wenig Flughafenluft schnuppern. „Das ist doch hier ein toller Spielplatz für große Männer“, sagt Jung. Fahrzeuge wie diese Kehrblasmaschine gebe es da draußen auf der Straße ja nicht. „Ich freue mich immer auf den Winter und hoffe natürlich auf viel Schnee“, lacht er. Neben ihm sitzt sein Kollege Kai Richter. Er hat heute seinen ersten Arbeitstag und lernt, wie er das Fahrzeug bedient.
Kollege Jung erklärt ihm gerade, wie die Kehrblasmaschine RSC 400 funktioniert, in der er sitzt. Sie ist vom norwegischen Flughafenequipmenthersteller Øveraasen gebaut. Eine Kehrblasmaschine besteht aus einer Sattelzugmaschine, einem übergroßen Schneeschild sowie der Kehr-Blaseinrichtung von Øveraasen. Mit dem Schneepflug kann der Fahrer schon 80 % des Schnees zur Seite räumen. Die Feinheiten erledigen dann der Kehrbesen und die Blasdüse. Die Maschine ist am Lkw angebracht und wird von einem Sechszylinder-Motor der Baureihe OM 500 aus dem Hause MTU angetrieben. Auf Knopfdruck kann der Fahrer den Kehrbesen auf die Rollbahn absenken und zugleich den Winkel einstellen, in dem er den Boden reinigen soll.
100 % Verfügbarkeit
„Die Maschinen sind super, vor allem zuverlässig. Wir hatten in den vergangenen 14 Jahren, seit ich diesen Job mache, noch keinen Ausfall“, erzählt Tauchnitz. Bekleidet mit einer leuchtend gelben Jacke, die auf dem Rollfeld jeder tragen muss, geht er unterdessen von Fahrzeug zu Fahrzeug und unterhält sich mit den Fahrern. Er kennt jeden, denn im Sommer haben alle bereits eine dreitägige Grundlagenschulung bei ihm besucht. In dieser lernen die Fahrer nicht nur, wie das Fahrzeug funktioniert. Vor allem der Ablauf des Winterdienstes sei wichtig. Denn wenn es drauf ankommt, muss ein Rädchen ins andere greifen. In nur 30 min muss ein Einsatzzug die Bahn geräumt haben.
Kehrblasgeräte räumen die Bahn
Dazu sind bis zu 21 Fahrzeuge im Einsatz. Vorneweg fährt das Fahrzeug mit dem Einsatzleiter: ein ganz normaler VW-Bus, der allerdings mit Sprechfunk und GPS-Signal ausgestattet ist. Der Einsatzleiter hält den Kontakt in erster Linie zum übergeordneten Betriebsleiter, zum Winterdienstkoordinator sowie zur Deutschen Flugsicherung (DFS). Ist die Bahn frei, darf er mit seinem Einsatzzug auf diese einfahren. Und solange der Einsatzzug auf der Bahn fährt, sieht der Koordinator über das GPS-Signal des Leitfahrzeuges und des letzten Fahrzeuges, dass die Bahn besetzt ist.
„Die Sicht ist oft so schlecht, dass der Tower die Fahrzeuge nicht sehen kann, daher ist das GPS-Signal wichtig“, erläutert Tauchnitz und ergänzt, dass selbst die Fahrer im Einsatz oft nicht mehr als das Fahrzeug vor sich sehen und so den Anweisungen, die sie per Funk vom Einsatzfahrzeug erhalten, exakt folgen müssen. Hinter dem Einsatzfahrzeug fahren die Kehrblasgeräte – wie ein Fächer angeordnet, schräg hintereinander. Sie ziehen wie Vogelschwärme über das Bahnensystem, haben ihre Pflüge abgesenkt, die Kehrbesen und Blasdüsen in Arbeitsstellung ausgerichtet, sodass sie den Schnee alle in eine Richtung schieben.
So liegt der Schnee am Ende als Wall auf der Seite. Eine Schneefräse schleudert den Schnee in die bis zu 70 m entfernten Grünflächen. Ganz am Ende des Einsatzzuges folgt eine Streumaschine, die ein zugelassenes und umweltverträgliches Formiat (Ameisensäure) aufbringt. Dieses verhindert eine erneute Vereisung und taut Restschnee- bzw. erste Neuschneemengen auf.
Eisspion misst Bremswirkung des Bodens
Was dann folgt, wird heute bei der Übung nicht getestet, ist aber Hightech pur. Ein sogenannter Friction-Tester fährt im Anschluss an die Räumung über die Bahn und misst die Bremswirkung, die Friction-Werte, des Bodens. Dieser Saab-900-Kombi ist sozusagen ein Eisspion, der mit fünf Rädern ausgestattet ist: Mit vier Rädern fährt er selber, das fünfte Rad ist ein 8“ breiter Reifen, baugleich mit dem am Fahrwerk eines Flugzeugs. Während der Fahrer mit etwa 100 km/h über die Rollbahn rast, lässt er das Rad hydraulisch ab und misst über Sensoren im Rad den Reibwert und somit die Bremswirkung des Bodens. Diese Information wird über den Tower an die Piloten weitergegeben, die sich gerade im Landeanflug auf den Flughafen befinden.
Warten auf den Wintereinbruch
Die Fahrer bekommen davon schon nichts mehr mit. Sie warten auf einem Parkfeld darauf, dass sie erneut zum Einsatz kommen. „Unsere Fahrer sind den ganzen Winter über in vier Schichten dauerhaft in Bereitschaft“, erläutert Roland Schwarz, Leiter für die Infrastruktur – Flughafenanlagen und Flächendienstleistungen bei der Fraport AG. Auch nachts, wenn gesetzlich geregelt kein Flugbetrieb stattfindet, müssen sie ran. Denn für einen Notfall, bzw. wenn eine vom Ministerium genehmigte Ausnahmelandung ansteht, müssen im Bahnensystem mindestens zwei Start- und Landebahnen zur Verfügung stehen. „Zum Beispiel war die Saison 2012/2013 eine sehr ereignisreiche Saison“, so Schwarz. „Hier hatten wir besonders schweren und nassen Schnee, was eine richtige Herausforderung für uns war.“ I

Info & Kontakt

MTU Friedrichshafen GmbH
Friedrichshafen
Tobias Johannes Frank
Key Account Manager Sales Industrial
Tel.: +49 7541 90-7054
Bauma: Halle A4, Stand 314
Weitere Informationen zum MTU-Messeauftritt auf der Bauma:t1pt1p.de/6bnq

Für alle Schneefälle gerüstet
Fast alle Schneeräumfahrzeuge, die Øveraasen herstellt, sind mit MTU-Motoren ausgestattet. Da sind zum einen die Kehrblasmaschinen RS 400 und RS 200, die von einem Lkw-Zugfahrzeug angetrieben werden. Hier treiben MTU-Motoren der Baureihe 1100 mit einer Leistung von 320 kW die komplette Maschine an. 720 mal pro Minute dreht sich der Kehrbesen um seine eigene Achse und mit 140 m/s schießt der Wind aus der Blaseinheit. Über 350 000 m2 Fläche kann die Maschine so in einer Stunde reinigen. Eine weitere Spezialität von Øveraasen sind die selbstfahrenden Schneefräsen. Ihre Aufgabe ist es, den Schnee, den die Kehrblasmaschinen an den Rand geräumt haben, vom Rollfeld wegzublasen. Bis zu 12 000 t/h Schnee können die Fahrzeuge wegräumen. Drei verschiedene selbstfahrende Schneefräsen hat Øveraasen aktuell im Angebot. Die Schneefräse vom Typ TV 1520 ist mit nur einem 16V-2000-MTU-Motor ausgestattet, der mit 1100 kW Leistung sowohl das Fahrzeug als auch die Fräse antreibt. Der TV 2200 ist die größte selbstfahrende Schneefräse der Welt. Sie benötigt die Kraft von zwei Motoren aus dem Hause MTU: Ein Motor der Baureihe OM 502 treibt das Fahrzeug an, und die Fräse bekommt ihre Leistung von den 1100 kW der MTU-Baureihe 2000. Neu auf dem Markt ist die kleinere Schneefräse vom Typ TV 1000 Plus. Sie wird von einem Zwölfzylindermotor der MTU-Baureihe 1600 mit einer Leistung von 730 kw angetrieben. Bis zu 7000 t/h Schnee kann diese Fräse wegräumen. Auch der Antrieb für das Fahrzeug kommt von MTU: ein Sechszylindermotor der Baureihe 1000.
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