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Stabiler in der Brise

Wälzlager für Windenergieanlagen: innovativer Werkstoff, neue Art der Wärmebehandlung
Stabiler in der Brise

Das White Structure Flaking ist ein bekanntes Schadensbild an Wälzlagern in der Windenergietechnik. Seine Ursache ist noch nicht vollständig erforscht. Aber intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von NSK zeigen, dass die Auswahl von Werkstoff und Wärmebehandlung die Schadenswahrscheinlichkeit reduzieren kann.

Exklusiv in KEM Der Autor: Stefan Henrichs, Project Engineer Industrial Bearings, NSK Deutschland GmbH, Ratingen

Vorzeitig auftretende Wälzlagerschäden in Form von White Structure Flaking (WSF) beschäftigen die Windenergiebranche seit mehreren Jahren. Die Untersuchungen der defekten Wälzlager zeigen weißanätzende Strukturveränderungen unterhalb der Oberfläche der Laufbahn. Diese schwächen den Werkstoff und können zu axialen Rissen sowie Ausbrüchen auf der Laufbahn führen.
Auch intensive Forschung der Wälzlagerhersteller konnte die Ursachen für das WSF bisher nicht vollständig ermitteln. Eine naheliegende Erklärung geht davon aus, dass Wasserstoff-Einlagerungen das Gefüge schwächen. Allerdings kann dieses Schadensbild bisher nicht auf Wälzlagerprüfständen, die die Betriebsbedingungen in Windenergieanlagen (WEA) abbilden, reproduziert werden. Unerklärlich ist bislang auch, warum die Schäden so früh auftreten.
Ähnliche Schadensbilder an Automotive-Wälzlagern
Allerdings ist ein ähnliches Schadensbild aus anderen Anwendungen bekannt. So führte White Structure Flaking in den 1990er-Jahren zu Ausfällen von Lagerungen in Kfz-Lichtmaschinen. Die hier von NSK gesammelten Erfahrungen lassen sich teilweise auch auf die aktuelle Problemstellung für Lagerungen in WEA übertragen. So liegt beispielsweise die Vermutung nahe, dass elektrische Potenziale zu den Einflussgrößen gehören, da sowohl in Windenergieanlagen als auch bei Lichtmaschinen Potenzialunterschiede auftreten können.
Zusammenwirken verschiedener Schadensursachen
In den Technologiezentren von NSK wurde das Phänomen des White Structure Flakings in WEA-Wälzlagern eingehend untersucht. Im ersten Schritt wurden Grundlagentests durchgeführt, um White Structure Flaking zu reproduzieren. Dieses Test-Set-up konnte anschließend genutzt werden, um die Widerstandsfähigkeit des Wälzlagers gegen dieses Schadensbild zu erhöhen.
Die Untersuchungen von defekten Wälzlagern aus dem Feld sowie die Ergebnisse aus den Grundlagenversuchen zeigen, dass offenbar ein Mix aus drei Ursachen für das Schadensbild White Structure Flaking verantwortlich ist:
  • Wasserstoffeintrag durch den Schmierstoff
  • Schlupf/Gleiten
  • Elektrizität
So führt z. B. ein erhöhter Wasserstoffanteil im Schmierstoff zu einer gesteigerten Schadenshäufigkeit.
Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass sich im praktischen Einsatz eine gewisse Wasserstoffkonzentration im Schmierstoff nicht verhindern lässt. Ebenso wenig lassen sich im Betrieb der WEA Schlupfzustände in den Wälzlagern, z. B. im Trudelbetrieb der Anlage, vollständig vermeiden. Auch ein möglicher Stromdurchgang durch die Wälzlager kann nicht ausgeschlossen werden. Das gilt besonders für solche Lager, die auf der Abtriebswelle des Getriebes der WEA zum Einsatz kommen. Sie befinden sich in der Nähe des Generators und in eben diesen Lagern tritt WSF überproportional häufig auf.
Ergebnis: Neuer Werkstoff ist deutlich belastbarer
Somit hatte NSK die Zielsetzung, einen Wälzlagerstahl zu entwickeln, der sich unter den oben beschriebenen Umgebungsbedingungen als resistenter gegen White Structure Flaking erweist. Dieses Ziel erreicht die neu entwickelte Legierung mit zwei Ansätzen. Zum einen verändert sich deren homogenes Gefüge unter dem Einfluss von Wasserstoff weniger als die bisher verwendeten Wälzlagerstähle. Zum anderen kann die wasserstoffinduzierte Rissbildung bzw. der daraus folgende Rissfortschritt durch eine Erhöhung der Druckeigenspannungen im Werkstoff signifikant reduziert werden.
Negativer Einfluss von Wasserstoff wird verringert
Erste Lebensdauertests mit dem neuen Wälzlagerstahl und Standard-Rillenkugellagern vom Typ 6206 ergaben unter gezieltem Eintrag von Wasserstoff in die Test-Installation eine deutlich verlängerte Lebensdauer im Vergleich zu Lagern aus konventionellen Wälzlagerstählen.
Damit ist ein wesentlicher Fortschritt bei der Vermeidung des White Structure Flakings gelungen. Es sind zwar noch weitere Untersuchungen zum grundsätzlichen Verständnis des White Structure Flakings notwendig. Aber bei den bisher von diesem Schadensbild betroffenen Wälzlagern kann die Schadenswahrscheinlichkeit reduziert werden, was letztlich für die Anwender von entscheidender Bedeutung ist.
Aktueller Stand: Prototypenfertigung
Inzwischen hat NSK den neuen Werkstoff bei führenden Herstellern von WEA-Getrieben sowie Windturbinen vorgestellt – mit positiver Resonanz. Zurzeit werden erste Prototypen gefertigt, die künftig bei Pilotanwendungen unter realen Bedingungen getestet werden. Verfügbar sind im ersten Schritt Zylinder- sowie Kegelrollenlager bis 400 mm Außendurchmesser.
Alternative: Neue Art der Wärmebehandlung
Parallel verfolgten die NSK-Forscher noch eine zweite Möglichkeit zur Unterbindung des White Structure Flakings. Sie erprobten verschiedene Wärmebehandlungen mit dem Ziel, den wasserstoffinduzierten Rissfortschritt einzudämmen. Dabei zeigte sich, dass ein Induktionshärteprozess sowohl die Druckeigenspannung als auch die Duktilität des Materials wesentlich steigert.
Erste entsprechend induktiv gehärtete Wälzlager befinden sich bereits in der Erprobung. Im ersten Schritt wird NSK induktivgehärtete Zylinderrollenlager bis 400 mm Außendurchmesser anbieten.
Kosten-Nutzen-Relation entscheidet
Die Hersteller von Windenergieanlagen bzw. den dort eingesetzten Getrieben haben somit die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von White Structure Flaking zu minimieren. Obwohl die Ergebnisse von Praxistests unter Realbedingungen noch ausstehen, kann man bei aller Vorsicht sagen, dass beide Technologien einen Beitrag zur Senkung der Total Cost of Ownership von WEA leisten können.
Sie minimieren das Risiko, dass WSF an Wälzlagern auftritt, und reduzieren damit das Ausfallrisiko der Anlage. Das wiederum steigert aus Betreibersicht die Produktionssicherheit, senkt Wartungskosten und erhöht die Stromproduktion. Parallel dazu arbeitet NSK weiter daran, die Ursachen des WSF vollständig aufzudecken. I

Info & Kontakt
NSK
Stefan Henrichs
Projektingenieur Mechanical Drives
Tel.: 02102 481-0
Detaillierte Informationen zum Einsatz von Wälzlagern in Windenergieanlagen
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