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Spielregeln für Konstrukteure

Pepperl+Fuchs, Mannheim
Spielregeln für Konstrukteure

Vom humanistischen Gymnasium zum Studium des Bauigenieurwesens und heute mit „Leib und Seele“ Konstrukteur, so lässt sich in wenigen Worten der berufliche Werdegang von Eckhard Berg beschreiben, heute „Koordinator Konstruktion“ bei Pepperl+Fuchs in Mannheim. In dieser Funktion zeichnet er verantwortlich für die Erarbeitung und Pflege von Regeln, nach denen in der gesamten Firmengruppe „Mechanik“ entsteht.

Die Autorin Denise Fröhlich ist Redakteurin der KEM

Dass am Sprichwort „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt” was dran ist, beweist Eckhard Berg. Eigentlich hätte er entweder Neubauprojekte planen und ausführen oder wertvolle Bausubstanz sanieren und erhalten sollen, denn nach Abschluss eines humanistischen Gymnasiums nahm er ein Studium des Bauingenieurwesens an der TH Aachen auf. Doch schnell merkte er, dass er damit nicht das Richtige getroffen hatte, brach das Studium nach vier Semestern ab und begann ein neues an der FH Furtwangen, Fachrichtung Feinwerktechnik – was sowieso eher seinem Interesse entsprach.
Heute ist Berg „Internationaler Koordinator für Konstruktion” bei Pepperl+Fuchs. Und auch das war damals noch nicht klar. Als der frisch gebackene Diplomingenieur die FH Furtwangen verließ, wechselte er unmittelbar zum Lenzkircher Messgerätehersteller Testoterm, bei dem er schon seine Diplomarbeit geschrieben hatte. Private Gründe bewogen den jungen Akademiker aber nach drei Jahren, den Wohnort zu wechseln und sich eine neue Wirkungsstätte zu suchen: Ein Vorstellungsgespräch bei Pepperl+Fuchs – und er war als Konstrukteur eingestellt. Dass er sehr lange im Unternehmen bleiben würde, konnte er sich zu dieser Zeit gar nicht vorstellen: Was konnte es an einem Näherungsschalter, also einer Gewindestange mit einem „bisschen Elektronik”, schon zu konstruieren geben.
„Alle müssen nach den gleichen Regeln konstruieren“
Doch dann war Berg mit Leib und Seele Konstrukteur und übernahm schnell die Leitung einer Konstruktionabteilung; eine Tätigkeit, die er bis vor drei Jahren ausführte. Dass er heute nicht mehr ausschließlich am CAD-Tisch Bauteile konstruiert, also nicht mehr klassischer Techniker und Tüftler ist, hat unter anderem folgenden Grund: Mit dem Kauf der Berliner Visolux, Entwickler und Produzent optoelektronischer Sensoren, wurde die Konstruktion optoelektronischer Produkte an deren Standort verlegt. Da damit die „kritische Masse” für eine Konstruktionsabteilung in Mannheim nicht mehr gegeben war, wurde eine schon lange vorliegende Idee umgesetzt und die Stelle „Koordination Konstruktion” geschaffen. Deren Inhaber, Eckhard Berg, sollte dafür sorgen, dass alle nach den gleichen Spielregeln konstruieren – und das mit Blickpunkt auf die Internationalität.
So zeichnet Berg heute verantwortlich für die Erarbeitung und Pflege von Regeln, nach denen bei Pepperl+Fuchs die in der gesamten Firmengruppe „Mechanik“ entsteht – und das an allen Standorten. Der zweite Schwerpunkt seiner Arbeit läuft unter dem Arbeitstitel „Innovatives Produktdesign”. Hier arbeitet er an innovativen Projekten, auf denen Produktentwicklungen aufbauen.
Als Berg seine heutige Tätigkeit übernahm, reiste er viel und ist an jedem Standort persönlich vorbei gekommen. „Schließlich steht und fällt vieles mit dem persönlichen Kontakt”, ist Eckhard Berg überzeugt. „Diesen bekommt man nicht über E-Mails. Da muss man hinfahren, sich an einen Tisch setzen und auch abends mal ein Bier trinken gehen. „Natürlich werden auf diesen Reisen auch Inhalte transportiert. So nutzte er die Gelegenheit, die Wissensdatenbank bekannt zu machen und den Umgang damit zu schulen. Heute ist Berg etwa zwei mal im Jahr in Ungarn, nach Singapur reist er alle zwei Jahre.
„Aufgaben stehen und fallen mit persönlichem Kontakt”
Aber auch die Arbeitsaufteilung hat sich seit dieser Zeit geändert: Mit Übernahme der Tätigkeit investierte Berg zunächst sehr viel Zeit dafür, eine Kommunikation mit den anderen Standorten aufzubauen. Zudem steckte er sehr viel Energie in den Aufbau einer sogenannten Wissensdatenbank im Intranet: Alle Konstruktionsregeln – und diese waren zum Teil nur mündlich überliefert – galt es zu Papier zu bringen und abzustimmen. Nachdem das Wissen aufgearbeitet war, trat diese Arbeit mehr und mehr in den Hintergrund. „Heute kann man von einer sehr guten Basis ausgehen und darauf aufsetzen”, erklärt Eckhard Berg stolz. Heuer verwendet er etwa 70 % seiner Zeit für „Innovatives Produktdesign” und 30 % für allgemeine Dinge wie Koordination technischer Zusammenhänge.
An einem Beispiel erklärt Berg, was Pepperl+Fuchs unter „Innovativem Produktdesign” versteht: Im Unternehmen war eine Sensorbaureihe etwas „in die Jahre gekommen”. Sie sollte überarbeitet werden und neue Funktionen bekommen. Die Sensoren verfügten über eine Leuchtdiode, die ihren Schaltzustand anzeigt. Leider war diese Anzeige nur von einer Seite aus zu sehen. Bei den neuen Produkten sollte das Licht hingegen von allen Raumrichtungen aus zu sehen sein. Die Ingenieure haben verschiedene Möglichkeiten probiert und sich für eine Anordnung entschieden, bei der in der würfelförmigen Sensor-Grundform jeweils in den Raumdiagonalen gegenüberliegend die Leuchtdiodenfenster angeordnet sind. Dadurch ist das Licht schon in drei Raumrichtungen sichtbar. Die LED-Fenster wurden dann paarweise angeordnet; je ein Anzeigepaar für den Schaltzustand und eines für „Power-on”. Für die Fenster wurde zudem ein Werkstoff genutzt, der das Licht verteilt und diffus streut. So können die Anzeigen jederzeit von überall her gesehen werden. Über einen Schnellverschluss lässt sich der neue Sensor außerdem werkzeuglos austauschen.
„Gelegentlich muss man Neuland betreten“
„Bei diesem Beispiel haben wir uns auf Neuland begeben”, erklärt Eckhard Berg. Zwar stellt Pepperl+Fuchs in seinem ungarischen Werk alle Spritzgussteile für die Gruppe selbst her, jedoch bislang nur im Einkomponentenverfahren. „Bei den neuen Sensoren hatten wir uns aber eine Konstruktion einfallen lassen, die bei klassischer Realisierung sehr teuer geworden wäre”, gibt er zu verstehen. Die LED-Fenster hätten in einem getrennten Spritzgießwerkzeug hergestellt werden müssen, dann diese in ein anderes Werkzeug eingelegt und das Gehäuse um die Fenster herum gespritzt werden müssen. „Deshalb entschieden wir uns für Zweikomponenten-Spritzgießtechnik”, sagt Berg.
Derartige Aufgaben werden bei Pepperl+Fuchs zu einem Entwicklungsauftrag zusammengefasst. Dazu formuliert das Produktmanagement ein Anforderungsprofil mit seinen Funktionswünschen. Anschließend findet ein Gespräch zwischen Produktmanagement und Entwicklung statt, bei dem geklärt wird, wie sich die Anforderungen realisieren lassen. Nach Klärung aller Punkte entsteht das Pflichtenheft und die Umsetzung kann beginnen. In der Regel werden nach einem oder mehreren Reviews die Serienwerkzeuge in Auftrag gegeben, aus denen dann im Idealfall in zwölf bis 16 Wochen die ersten Serienteile fallen. „Funktioniert alles reibungslos, gehen wir mit den Teilen in die große Serie”, so Berg.
Im Moment arbeitet Eckhard Berg an einem fertigungsergonomischen Sensorbaukasten. „Dazu muss man wissen”, erklärt er, „dass wir unsere induktiven Näherungsschalter zwar in erheblicher Stückzahl verkaufen, wir uns aber heute in einer ganz anderen Situation als in den sechziger Jahren befinden, als die Sensoren entstanden sind.”
„Für unsere Sensoren brauchen wir einfache Fertigungsprozesse“
Damals war Pepperl+Fuchs ein lokal operierendes Unternehmen mit Entwicklung und Produktion in Mannheim. So fanden alle Fertigungsprozesse direkt unter der Aufsicht des Managements statt, und bei Problemen konnte direkt eingegriffen werden. Heute ist Pepperl+Fuchs global aufgestellt, wodurch die Fertigungsprozesse wesentlich weiter weg vom technischen Management stattfinden. Die Möglichkeit, in den Prozess einzugreifen, ist mit sehr viel Aufwand verbunden. „Deshalb müssen wir für die Produktion unserer Sensoren einfache Prozesse einsetzen”, sagt Berg. Diese sollten nach Möglichkeit nie so komplex sein, dass eine dauernde Betreuung nötig ist.
Das Projekt „Modularer Sensorbaukasten” hat deshalb die Aufgabe, eine Sensorfamilie aus möglichst wenig Teilen herstellen und für deren Herstellung einheitliche und einfache Fertigungsprozesse zu verwenden. Hinzu kommen weitere aktuelle Marktanforderungen wie Schutzklasse 2 (doppelte Isolierung).
Da Projektleiter Berg seit 18 Jahren im Unternehmen ist, braucht er für die Realisierung dieser Aufgabe nicht jeden einzelnen Sensor unter die Lupe zu nehmen. „In meinen Hinterkopf ist aber immer, was haben wir bisher gemacht und wo wollen wir hin”, erklärt er.
Zuerst entwickelte er ein Szenario, wie so ein Sensor aussehen könnte. Da er für derartige Aufgaben relativ viel Freiheit hat, gab es dafür keine sehr eng gesteckten Zeitvorgaben. „Jetzt, nach rund einem Jahr, präsentiere ich das Ergebnis der Geschäftsführung und dann wird entschieden, ob wir in der vorgeschlagenen Richtung weiterarbeiten”, so Berg. Sollte man sich für ein „Pro” entscheiden, kommen die neuen Produkte voraussichtlich 2005 auf den Markt.
Um Mitarbeiter „fit” für neue Aufgaben zu machen, bietet Pepperl+Fuchs fachbezogene Seminare, wie 2K-Spritzgießtechnik an. Ist ein Mitarbeiter an einem Thema interessiert, kann er sich nach Absprache mit seinem Vorgesetzten zu einem Seminar anmelden. „Das läuft unkompliziert”, freut sich Berg. So vergeht auch kaum ein Jahr, in dem er nicht ein Seminar außer Haus besucht. Zudem gibt es ein internes Weiterbildungsprogramm, beispielsweise zu Themen wie Projekt- oder Konfliktmanagement.
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