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Rotieren statt Rangieren

Absetzkipper: spezielle Teleskoparme beschleunigen drastisch die Container-Handlingzeit
Rotieren statt Rangieren

Mit einem revolutionären System will der Fahrzeughersteller Gergen neuen Wind in die Absetzkipper-Technik bringen. Wesentliches Merkmal gegenüber der gängigen Praxis ist ein zusätzlicher Aufbau an den Teleskoparmen. Damit lässt sich ein voller Container gegen einen leeren ohne das übliche Rangieren austauschen. Ergebnis: Der Fahrer spart damit 70 Prozent Zeit beim Handling.

In nunmehr 65jähriger Tradition baut die Hydraulik Gergen GmbH & Co. KG, St. Ingbert, Absetzkipper und Abrollsysteme. Das technologisch führende Unternehmen hat mit der Entwicklung der Teleskoparm-Fahrzeuge bereits 1983 Meilensteine innerhalb dieser Branche gesetzt. Hans Georg Gergen, Firmenchef und Innovationsmotor des Unternehmens, betont im Gespräch: „Wir präsentieren dem Markt ein neues Handlingsystem für Absetzkipper, das es in dieser Form noch nie gab.“

In der Tat handelt es sich dabei um eine Innovation mit extrem hoher Tragweite. Man muss sich nur den zeitlichen Aufwand vorstellen, wenn ein Fahrzeug in beengten Verhältnissen einen vollen Container abholt und gleichzeitig einen neuen Behälter bringt. Die persönlichen Erhebungen von Dipl.-Ing. (FH) Manfred Schaich verdeutlichen das übliche Szenario in der Praxis: Bei 138 Fahrten betrug die durchschnittliche Handlingzeit der Container zwischen 25 und 30 Minuten.
Manfred Schaich ist der Geschäftsführer der Rotocont GmbH & Co. KG, Entwickler und Patenthalter des neuen Systems zum schnellen Containerwechsel: „Mit einem Rotocont-Aufsatz erfolgt der Container-Austausch ,voll’ gegen ,leer’ automatisch innerhalb von sechs Minuten“, bestätigt der Fachmann. Das bedeutet etwa 70 % weniger Standzeit und entsprechend mehr Fahrten für Transportunternehmen.
Im Jahr 2000 kam dem Architekt die Idee, der permanenten Platznot auf Baustellen und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Container-Transporter die Rote Karte zu zeigen. Kurzerhand meldete er sein Rotocont-Konzept zum Patent an. Drei Jahre sind nun vergangen und die Patente sind erteilt. In Hans Georg Gergen hat er den innovativen Partner gefunden, der seit Jahrzehnten mit einer Vielzahl von Patenten von sich reden macht und in der Branche einen hervorragenden Ruf als Innova-tionsmotor genießt.
Erstmals auf der Bauma 2004
Gemeinsam mit dem Entwicklungspartner Parker Hannifin haben sie Rotocont perfektioniert und stellen erstmals ein solches Fahrzeug mit vollautomatischem Ladezyklus auf der Bauma 2004 in München aus. Im Freigelände N 813/2 kann sich jeder live davon überzeugen, dass dieses Fahrzeugkonzept auf Basis des Gergen-Modells „Adonis“ der Entsorgungsbranche neuen Schwung verleihen wird.
Das Herz des Rotocont-Aufsatzes, der an die Teleskoparme von konventionellen Absetzkippfahrzeugen aufgesetzt wird, ist ein selbsthemmender Schneckenantrieb. Entscheidend für die Wahl dieser Antriebsvariante war der zur Verfügung stehende Bauraum. Dieser ist naturgemäß sehr eng bemessen. Theoretisch könnte das Schwenken auch über schlanke Hydraulikzylinder erreicht werden. „Allerdings hätte bei einer solchen Lösung ein erhöhter regelungstechnischer Aufwand für zusätzliche Komplexität gesorgt“, berichtet Hans Georg Gergen. Sie schied also ebenfalls aus. Schließlich müssen solche Fahrzeuge robust sein.
Letztendlich sorgt nun ein in der Stahlkonstruktion integrierter Standard-Hydraulikmotor von Parker Hannifin für die Drehbewegung der Schnecke. Für die linke und rechte Seite der Arme muss ein Drehmoment von jeweils 10 000 Nm aufgebracht werden. Manfred Schaich betont: „Entscheidend ist, dass bei der außerordentlich hohen Belastung nur minimale Verfahrgeschwindigkeiten erlaubt sind.“ Konkret legen die zusätzlichen Arme die eingangs beschriebene Schwenkbewegung von 273 Grad in drei Minuten zurück.
Hydraulisch-/elektronischer Gleichlauf
Das Wichtigste an der gesamten Konstruktion ist die gleichförmige Bewegung der beiden Rotocont-Zusatzarme. Zusammen mit Parker Hannifin konnte eine pfiffige Lösung gefunden werden. Der eingesetzte Torquemotor Parker besitzt auf Grund seiner konstruktiven Merkmale besondere Vorteile für diese Anwendung.
Bei Gergen werden jährlich zwischen 300 und 500 Absetz- und Abrollsysteme verkauft. Der Firmenchef rechnet damit, dass künftig rund 30 Prozent der Neufahrzeuge bei Absetzkippern mit dem Container-Wechselsystem aufgerüstet sein werden. Allerdings betont er, dass Rotocont an jedes Standardfahrzeug adaptiert werden kann – auch anderer Hersteller. Das könnte einen echten Ruck durch die Branche bringen. Rotocont eignet sich für alle 18 und 26 Tonnen Chassis.
Prinzipiell können die Arme auch an jedem Teleskop-Absetzkipper nachgerüstet werden. Wichtig dabei ist natürlich die Adaption der Hydraulik. Schließlich muss Pumpenleistung, Ventilsteuerung und manches andere individuell angepasst werden.
Die für das System erforderliche Leistung wird vom Motor mittels Getriebe auf die direkt angeflanschte Pumpe Typ F1 übertragen. Das Mindestfördervolumen der Pumpe sollte rund 100 Liter pro Minute betragen, der Arbeitsdruck sollte bei ca. 300 bar liegen. Beim Adonis kommt eine Schrägachsen-Axialkolbenpumpe mit konstantem Schluckvolumen vom Typ F1 zum Einsatz. Diese Parker-Pumpe ist je nach Anwendung und Anforderung so ausgelegt, dass sie die Motorleistung optimal nutzt.
Die hydraulische Leistung wird auf den Sektionsventilblock Typ L 90 LS übertragen. Durch die große Flexibilität des Sektionsventils Typ L 90 LS konnte die Anwendung Absetzkipper optimal gelöst werden. Jede Sektion und somit Funktion lässt sich entweder schwarz-weiß oder proportional steuern und erhält eine eigens angepasste Druckabsicherung. Damit keine ruckartigen Bewegungen auftreten können und damit den sicheren Stand des Fahrzeugs gefährden, wurden hydraulische Rampen in die einzelnen Ventile integriert.
Im Block enthalten sind weitere spezielle Funktionen, die in diesen Fahrzeugen notwendig sind, wie etwa Verriegelungen, Kippanwendungen oder der erwähnte Gleichlauf der Teleskoparme. Über Druckwaagen und besondere Schiebergeometrien wird dieser ohne die Zuhilfenahme elektrischer oder elektronischer Komponenten auf einfache Weise sichergestellt.
Container-Kollisionen vermieden
Befinden sich die neuen Rotocont-Arme am Fahrzeug, erhält der Ventilblock zwei zusätzliche Sektionen. Dies würde prinzipiell für einen manuellen Betrieb ausreichen. Weil aber der gesamte Be- und Entladevorgang über eine zusätzliche Steuerung vollkommen automatisch ablaufen soll, sitzen Drehwinkelaufnehmer in beiden Schneckenantrieben. Damit während des gesamten Containerhandlings keine Kollisionen auftreten, wird auch die Stellung des Hauptarms am Fahrzeug mithilfe eines Wegmesssystems kontinuierlich überwacht.
Als Steuerung der Arbeitshydraulik kommt Typ IQAN TOC8 von Parker Hannifin zum Einsatz. Dieses Steuergerät wurde speziell für den mobilen Bereich entwickelt. Die einfachste Variante heißt IQAN TOC2, die für maximal zwei Sektionen nutzbar ist. Im neuen „Adonis“ sorgt eine IQAN TOC8 für den präzisen und sanften Containerwechsel. Diese Steuergerätvariante kann bereits automatische Programmabläufe realisieren. Nach oben gibt es weitere Varianten und zur Bauma wird sogar eine vollkommen neue IQAN Variante präsentiert – mit mehr Speicher, schnellerem Prozessor und höherem Leistungsumfang.
Die Verantwortlichen beim Entsorgungsunternehmen Kleiner Recycling in Pirmasens haben die Vorzüge der neuen Technik bereits schätzen gelernt. Dort besteht das erste aufgerüstete Adonis-Fahrzeug seit einigen Monaten seine Feuerprobe.
Das Fahrzeug allerdings besitzt bereits das elektronische IQAN TOC8-Steuergerät, das dem Bediener jegliche Arbeit auf Knopfdruck abnimmt. Es wechselt innerhalb von sechs Minuten vollautomatisch den vollen gegen einen leeren Container. „Höchst interessant für den Fahrer wird Rotocont bei Unterflur-Containern. Dort muss der Absetzpunkt exakt getroffen werden. Beim neuen Adonis übernimmt das die Automatik“, betont Hans Georg Gergen.
Die Grenzen von Rotocont liegen bei 1000 kg plus 200 kg Restmüll, der nicht entleert wurde. Das entspricht einer 10 m3 Deckelmulde. Manfred Schaich ergänzt: „Das neue System muss nicht zwangsläufig eingesetzt werden. Trotz des Aufsatzes kann die normale Absetztechnik ohne Einschränkungen genutzt werden.“ Werden die zusätzlichen Knickarme nicht benötigt, liegen sie zusammengeklappt in der Fahrposition. Die Steuerung überwacht dies mithilfe von Endschaltern.
Der Erfolg des neuen Absetzkippers mit Zusatzausrüstung bestätigt wieder einmal die langjährige und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Parker Hannifin und Gergen. Die komplette Verrohrung und Verschlauchung des Bauma-Adonis zum Beispiel erfolgte mit einem Installations-Kit von Parker Hannifin. Gemeinsam wurde in kürzerster Zeit das Patent von Manfred Schaich serienreif umgesetzt. Bezüglich der Umsetzung seiner Ideen hat neben der Erfahrung von Hans Georg Gergen die Hydraulik in Verbindung mit der Elektronik von Parker Hannifin die wesentlichen Impulse ge-liefert.
Bauma 2004:
Hydraulik Gergen, Freigelände N 813/2
Parker Hannifin, Halle A5 Stand 231/334
Weitere Informationen
Hydraulikventile L90 LS
KEM 444
IQAN-Steuergerät
KEM 445
Hydraulikmotoren
KEM 446
Hydraulikpumpe F1
KEM 447
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