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Mit Mikrostruktur zu Makroeffizienz

Strukturierte Rohroberflächen vervielfachen die Wärmeübertragung von Kondensatoren
Mit Mikrostruktur zu Makroeffizienz

Bei einem Kondensator aus Brandenburg sorgen Rohre mit gezielt veränderten Oberflächen für bisher unerreichte Effekte. Die für Kraftwerks- und Industrieanwendungen konzipierte Kondensator- familie hat gegenüber herkömmlichen Systemen mit Glattrohr eine mehrfach höhere Wärmeübertragungsleistung bei halbiertem Anlagenvolumen. Auch die Materialablagerung in oder an den Rohren sinkt um rund 80 Prozent.

Exklusiv in kem Die Autoren: Prof. Dr.-Ing. Udo Hellwig ist Geschäftsführer, Nikolai Sachno Projektingenieur der La Mont-Kessel GmbH & Co. KG, Wildau; Dr.-Ing. Axel Kölling ist Leiter F&E, Paul Widera Projektmanager und Mario Nowitzki sowie Stefan Kohn sind Projektingenieure der ERK Eckrohrkessel GmbH, Berlin

Oberflächenstruktur-Technologie ist ein verallgemeinerter Begriff, der sich auf die Funktionalisierung apparativer Grenzflächen bezieht. Die spezielle Technologie von La Mont-Kessel dagegen beruht auf den Entwicklungslinien Nebenform- und Mikrostrukturierung, die einzeln oder in Kombination zur Herstellung von Halbzeugen, Bauteilen und Komponenten angewendet werden.
Nebenform- und Mikrostrukturierung
Die Nebenformstrukturierung erfolgt auf einer mechanischen Umformanlage, die zwar seit dem Jahr 2003 existiert, seither aber mehrfach umgebaut worden ist. Die Anlage fertigt nebenformstrukturierte Rohre mit Durchmessern von 10 bis 70 mm, Wandstärken bis 3 mm und Längen bis 6 m. Eingesetzt wird der Stahl Nr. 1.4301 und Kupfer Nr. 2.0090.
Die Mikrostrukturierung von glattwandigen oder nebenformstrukturierten Halbzeugen beruht auf Varianten eines Ionenspur- und Replikationsverfahrens in Verbindung mit Ätz- und Galvanotechniken. Als Replikationsmatrix dient eine Polykarbonatfolie, die als geführter Rollfilm durch Einwirkung hochenergetischer Kationen in einer besonderen Strahlungsvorrichtung gezielt perforiert wird. Die Spuren werden durch ein nachfolgendes Ätzverfahren definiert parametrisiert. Das Halbzeug wird mit der vorbehandelten Folie beschichtet, durch Galvanisation Material aufgetragen und die Matrize chemisch abgelöst.
Ergebnis ist ein definiertes Mikroprofil mit einstellbarer Form und Verteilungsdichte der Mikro-Pins. Die untere Grenze der Pin-Durchmesser liegt bei 200 nm. Die Pins lassen sich aus Kupfer- und Nickelwerkstoffen in verschieden Konfigurationen bis hin zu matrizenlos randomisierten Mikroprofilen herstellen. Erreicht werden bis zu 10 Mio. Mikro-Pins pro Quadratzentimeter, die Oberflächenzunahme liegt in der Größenordnung bis zum Faktor 1000.
Diese Oberflächenstruktur-Technologie und insbesondere die Mikrostruktrierung fügt sich in aktuelle Tendenzen zur Funktionalisierung und Miniaturisierung ein, für die der Begriff „Micro Process Engineering“ geprägt wurde. Die Prozessführung in Mikrosystemen ist durch folgende Sachverhalte gekennzeichnet: Dominanz der Grenzflächenwirkungen
  • geringe Trägheit und Retention
  • große Wärme- und Stofftransportkoeffizienten
  • Intensivierung der Energie- und Stoffübertragung
  • Newton´sche Scherströmung
  • definierte Verweilzeit und -verteilung
  • hohe Leistungsdichte
  • funktionaler Leichtbau und
  • Ressourceneffizienz.
Der spezifisch ausgelegte Kondensator
Da Kondensatoren durch spezifische Kundenwünsche charakterisiert werden, gilt es Betriebsparameter wie Medium, Druck, Temperatur, Werkstoff und Geometrie bedarfsgerecht zu ermitteln. Wichtigste Prozesse für den Einsatz von Kondensatoren sind:
  • Phasenwechsel eines Arbeitsfluids (Energie-, Klima-, Kälte-, Kryotechnik)
  • Stoffumwandlung von Edukten (Chemie-, Raffinerie-, Pharmaindustrie) sowie
  • Stofftrennung (Meerwasserentsalzung, Wasseraufbereitung).
Die Wirkungsweise eines Kondensators wird durch drei Hauptfaktoren bestimmt:
  • die Filmkondensation als geschlossene Oberflächenbenetzung
  • die Tropfenkondensation der unvollständigen Benetzung der Kondensatorwand sowie
  • die vollkommene Unbenetzbarkeit mit dem Übergang zu einer lediglich punktuellen Anhaftung von Tropfen (Lotuseffekt).
Vereinfacht lässt sich feststellen, dass, je geringer die Benetzung der Wärmeübertragungsfläche ausfällt, desto höher der Wärmeübergangskoeffizient ist, der um zwei Größenordnungen differieren kann.
Physikalische Phänomene sinnvoll nutzen
Diese Phänomene nutzt La Mont-Kessel, um die bekannte Kondensatortechnologie durch den Einsatz des nebenstrukturierten Rohrs „ip tube“ und des mikrostrukturierten Rohrs „µ-ip tube“ wirkungsvoller zu nutzen.
Ein eigens entwickelter Versuchsstand ermöglichte Aussagen über die Einflussstärke der spezifischen Bauelemente-Parameter auf die Prozesskenngrößen. Verglichen wurde das thermodynamische Verhalten von makro- und mikrostrukturierten Rohren mit Glattrohrreferenzen: Bereits die makrostrukturierten Rohre zeigten eine erhöhten Wärmeübertragung von bis zu 200 kW*m-2, was im Vergleich zum Glattrohr eine Steigerung um den Faktor 2 bedeutet. Dieses Ergebniss wurden durch Tests mit dem Mikroprofilrohr und dem mikroprofilierten Strukturrohr noch übertroffen: Hier zeigte sich neben der erheblichen Steigerungen der Wärmeübertragung auch eine deutlich sichtbare Intensivierung des Prozesses hin zur Tropfenkondensation. Die Pins dienen dabei als Kondensationskeime beziehungsweise oberflächenaktive Initiatoren für die Kondensation, die beim Mikrostrukturrohr ab einem bestimmten Bereich als lawinenartiger Prozess abläuft.
Wärmeübertragungsleistungen bis 1 MW*m-2 machbar
Zudem existiert beim mikroprofilierten Strukturrohr nicht einmal mehr ein Schwellenwert, die Wirkung ist bereits bei sehr kleinem Temperaturgefälle nachweisbar. Insgesamt könnten demnach zukünftig Wärmeübertragungsleistungen von bis zu 1 MW*m-2 machbar sein.
Von diesen Ergebnissen ausgehend konstruierte La Mont-Kessel einen Hochleistungs-Kondensator. Ein selbst entwickeltes Berechnungsprogramms transformierte die thermodynamischen, geometrischen und wärmetechnischen Daten des prototypischen Rohrbündels in konstruktiv verwertbare, apparative Kenngrößen des Kondensators. Als Resultat wurde das auslegungstechnische Optimum für eine bestimmte Kondensationslast als 4er-Rohrbündel aus zwei übereinanderliegenden Rohrreihen gefunden, das konstruiert, gebaut und erprobt wurde. Die Leistung dieses Aggregats war um 80 % höher als im Referenzfall mit Glattrohren.
Vielfältige mögliche Anwendungsbereiche
Im Anschluss wurde ein Zwangsumlaufsystem projektiert, bestehend aus einem Wasservorwärmer, einem Verdampfer und einem wassergekühlten Hochleistungs-Rohrbündelkondensator mit Strukturrohren (Kondensationsleistung 0,9 MW), das in der Automobilindustrie eingesetzt werden kann (beispielsweise bei der Abluftreinigung einer Lackieranlage oder Schweißstation).
Dies ist jedoch nur einen Aspekt aus einer Fülle möglicher Anwendungsbereiche. Die Kondensatoren können zur Stofftrennung oder -abscheidung bei Meerwasserentsalzungs- oder Wasseraufbereitungsanlagen und in der Umwelt- und Arbeitssicherheitstechnik eingesetzt werden. Um einen Phasenwechsel eines Arbeitsfluids zu erreichen sind Anwendungen in der Energie-, Klima-, Kälte-, und Kryotechnik realisierbar. Die Stoffumwandlung von Edukten zielt auf Kunden aus der Chemie-, Raffinerie-, und Pharmaindustrie.
La Mont-Kessel; Telefon: 03375 2195-0; E-Mail: info@lamont-services.com
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