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Mission: Leben retten

Simulation weckt hohe Erwartungen an humanoiden Roboter
Mission: Leben retten

Rund 150 Kilo schwer ist er, so groß wie ein Mensch, aber deutlich kraftvoller, auf zwei Beinen unterwegs, mit leistungsfähigen Armen und Händen ausgestattet und ungefähr eine Million Dollar wert: Der humanoide Roboter namens Atlas vereint in sich viele technisch hoch komplexe Elemente.

Die Autorin: Silke Paradowski, Pressesprecherin der TU Darmstadt

Mit ihrer Simulation für die Bedienung eines Rettungsroboters haben sich Forscher der TU Darmstadt gemeinsam mit Partnern aus den USA in der DARPA Robotics Challenge unter den weltweit besten sechs Teams ihrer Klasse platziert. DARPA steht für Defense Advanced Research Projects Agency. Die Robotics Challenge wurde nach den Erfahrungen mit der dreifachen Katastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunglück in Fukushima ins Leben gerufen. Seinerzeit standen keine passenden Roboter zur Verfügung, mit deren Einsatz man in der zerstörten und für Menschen hochgefährlichen, radioaktiv verseuchten Umgebung wahrscheinlich Schlimmeres hätte verhindern können.
Nun wird aus der Simulation Wirklichkeit: Der Roboter Atlas muss jetzt zeigen, was die im Modell getestete Software kann, und sich im Dezember realen Rettungsaufgaben stellen. Der erste Eindruck macht seinem Namen alle Ehre. „Wir hatten natürlich nach unseren Simulationen eine gute Vorstellung von Atlas“, berichtet Stefan Kohlbrecher, Mitarbeiter am Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung und Robotik des Fachbereichs Informatik der TU Darmstadt, „aber es ist schon ein gewaltiger Unterschied, jetzt mit diesem enorm leistungsfähigen Humanoidsystem zu arbeiten, das in der Realität herumläuft und sich bewegt – fast wie Science Fiction.“
Kohlbrecher ist zur Übergabe und zum ersten Training mit dem Roboter nach Boston geflogen. Die TU bildet gemeinsam mit der Partneruniversität Virginia Tech sowie dem Virginia-Tech-Spin-Off Torc Robotics das Team ViGIR (Virginia-Germany Interdisciplinary Robotics). „Wir sind gespannt, ob der reale Roboter die hohen Erwartungen in den nächsten Monaten erfüllen wird, die durch die Simulation geweckt wurden“, sagt Kohlbrecher.
Die TU-Informatiker entwickelten in Koordination mit Torc Robotics seit dem Start der Robotics Challenge im vergangenen Oktober die On-Board-Software für den Rettungsroboter, ihre Teamkollegen von der Virginia Tech die Benutzerschnittstelle, mit der Atlas aus der Ferne überwacht und bedient werden kann. Den neu entwickelten Roboter, an dem diese Software nun in der Realität weiter entwickelt werden wird, gewannen die Forscher quasi als Zwischenauszeichnung in der Robotics Challenge. Mit seinen rund 150 kg und 1,88 m Körpergröße ähnelt Atlas einem Menschen, hat aber doch viele technisch hoch komplexe Elemente, „er ist wie drei Roboter in einem“, sagt Alberto Romay, der ebenfalls zum Forscherteam der TU Darmstadt gehört.
Kameras in Kopf und Handflächen und ein 3D-Laserscanner ersetzen die Augen, mit denen sich die Operatoren zunächst im DARPA Robotics Wettbewerb und später in realen Katastrophenszenarien ein Bild von der Lage verschaffen müssen, bevor sie Atlas möglichst selbsttätig Aufgaben erfüllen lassen, die bisher noch kaum ein humanoider Roboter bewältigt hat.
Roboter muss auch Unerwartetes bewältigen
Das bedeutet beispielsweise, Trümmer wegzuräumen, sich einen Weg durch eine Wand zu brechen, Ventile zuzudrehen, ein Auto zu fahren, gefundenes Werkzeug zu benutzen, blockierte Türen zu öffnen oder Leitern hochzuklettern. Auch Unerwartetes, wie ein Sturz des Roboters, muss bewältigt werden.
„Katastrophen-Szenarien sind anspruchsvoll, weil sie unstrukturiert sind“, sagt Kohlbrecher. Hier habe ein menschenähnlicher Roboter klare Vorteile: „Die Umgebung, egal wie zerstört sie ist, ist nun einmal für Menschen gebaut; Leitern, Autos, Drehventile sind für Menschen dimensioniert.“ Romay ergänzt: „Wenn der Rettungsroboter einem Menschen ähnlich ist, fällt es auch dem Operator leichter, damit umzugehen, als wenn das System zum Beispiel acht Arme hätte.“ Operatoren und die an der TU Darmstadt entwickelte On-Board-Software arbeiten an dieser Stelle Hand in Hand. „Supervised autonomy“ heißt das Prinzip.
Weit über hundert Teams weltweit hatten sich zur Virtual Robotics Challenge angemeldet. Die TU Darmstadt ist – im engen transatlantischen Verbund mit Torc Robotics und Virginia Tech – die einzige europäische Universität, die sich als eine von sieben Gruppen in der Simulation für die nächste Runde qualifizierte. Im Dezember werden die von den einzelnen Teams weiter entwickelten Atlas-Roboter in einem zweiten Auswahlprozess gegen weitere Teams mit eigenen Roboterentwicklungen erste Testläufe absolvieren, bevor dann Ende 2014 in der Finalrunde das beste Rettungsrobotersystem gefunden und mit zwei Millionen Dollar prämiert werden wird.
„Mit der Leistung unseres kleinen, hoch qualifizierten Teams haben wir in diesem härtesten Roboterwettbewerb der Welt für die TU Darmstadt hohe internationale Anerkennung und Sichtbarkeit gewonnen. Gleichzeitig hoffen wir, mit unseren als Open Source geplanten Entwicklungen das bisher wenig geförderte Gebiet der Rettungsrobotik wesentlich voranzubringen“, erläutert Professor Oskar von Stryk.
Die Informatiker der TU Darmstadt konnten in der knapp bemessenen Entwicklungszeit auf ihre langjährige Expertise in der Robotik, insbesondere bei den RoboCup-Weltmeisterschaften, und mit Rettungssystemen zurückgreifen. „Die Robotics Challenge ist einerseits ein konkretes, überaus ambitioniertes Entwicklungsziel, diene andererseits aber auch dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt“, sagt Kohlbrecher. „Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir in diesem Projekt sammeln, sind unbezahlbar und exklusiv.“ I

Info & Kontakt
TU Darmstadt, Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung und Robotik am Fachbereich Informatik Prof. Dr. Oskar von Stryk Tel.: 06151 164899 stryk@sim.tu-darmstadt.de www.tu-darmstadt.de
Direkt zum DARPA- Video, das den Roboter Atlas in Aktion zeigt
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