Startseite » Maschinenelemente »

Mechanischer Muskel

Planeten-Wälz-Gewindespindel für beliebige Drehzahlen und Steigungen
Mechanischer Muskel

Am Institut für Robotik und Systemdynamik des DLR wurde ein Maschinenelement entwickelt, das aus der Antriebstechnik nicht mehr wegzudenken sein wird: Eine Planeten-Wälz-Gewindespindel für einfache und zuverlässige Linearbewegungen, für kleine und trotzdem starke Linearantriebe, mit einem hydraulischen Systemen ebenbürtigen Kraft/Volumen-Verhältnis sowie herkömmlichen Gewindetrieben überlegenen Wirkungsgrad.

Autorenangaben siehe nächste Seite

Automatisierung im Weltraum
Der im April 1993 an Bord des Space Shuttle Columbia betriebene Roboter Rotex – Roboter Technologie Experiment – hat neue Maßstäbe gesetzt. Erstmalig in der Geschichte der Raumfahrt führte bei der Spacelab D-2 Mission ein kleiner, mit Intelligenz ausgestatteter Roboter an Bord komplexe Aufgaben durch: Er schraubte Steckverbindungen auseinander und fügte sie wieder zusammen oder fing sogar ein freifliegendes Objekt ein. Die Konstruktion von Rotex war ein Hürdenlauf in Sachen Technik. Denn um Menschen im All ersetzen oder wirkungsvoll entlasten zu können, brauchen die dazu notwendigen Roboter nicht nur ein gewisses Maß an Intelligenz, sondern sie müssen auch wesentlich leichter sein als ihre irdischen Kollegen, schlägt sich doch jedes Kilogramm, das in den Weltraum gebracht werden soll, jeweils in Transportkosten von mehreren 10 000 DM nieder. Um das Gewicht zu reduzieren, wurde für die Roboterhand eine elektrisch angetriebenes Spindelsystem realisiert, das bei sehr niedrigem Gewicht und extrem geringer Reibung eine hohe Kraftübertragung erlaubt. Die weltweit patentierte Spindel liegt nun als marktreifes Produkt vor.
Die Planeten-Wälz-Gewindespindel (PWG)
Die Planenten-Wälz-Gewindespindel besteht aus Spindel, Rollkörpern und einer Spindelmutter. Die Kraftübertragung auf die Mutter erfolgt über planetenartig zwischen Spindel und Mutter angeordnete zylindrische Rollkörper. In diese Rollkörper sind feine, den Spindelgewinderillen entsprechende Rillen geschnitten. Die Rollkörper stehen wiederum über gröber ausgeführte Rillen mit der Mutter in Verbindung. Die grobe und die feine Rillung jedes Rollkörpers weist von Rollkörper zu Rollkörper einen kleinen Phasenversatz auf, der der Spindel-Gewindesteigung zwischen benachbarten Rollen entspricht. Die Rollkörper selbst führen keine Hubbewegung aus, da sie auf den Tragrillen der Mutter umlaufen. Sie können daher nicht aus der Mutter herauswandern. Das Übersetzungsverhältnis von Dreh- zu Hubbewegung kann durch Variation der Spindelsteigung in weiten Grenzen gewählt werden.
Die Spindel eignet sich hervorragend zur Integration ins Innere kleiner Elektromotoren; Rotor und Spindelmutter bilden dann typischerweise eine Einheit. Für diese Motor-Spindel-Kombination wurde inzwischen der Begiff „mechanischer Muskel“ eingeführt mit zahllosen Anwendungsmöglichkeiten von feingliedrigen Roboterfingern oder neuartigen Prothesen bis hin zu Fensterhebern von Kraftfahrzeugen.
Vergleich der PWG mit herkömmlichen Spindelbauarten
Die doppelte Planetenrollen-Profilierung der PWG ist einerseits notwendig, um beliebig kleine Gesamtsteigungen zu realisieren, andererseits um ohne Rücksetzen der Planeten bzw. Kugeln auszukommen.
Bei vergleichbaren Spindelsystemen treten entweder Begrenzungen der Drehzahl durch das beschleunigungsbedingte Rucken beim Wälzkörperrücksetzen auf, oder die Spindel muß mehrgängig ausgeführt werden. Bei mehrgängigen Bauarten sind kleine Gesamtsteigungen nicht herstellbar, da die Profilierung zu fein würde.
Einsatzfelder der PWG
Allgemein findet die Spindel überall dort Einsatz, wo Drehbewegungen einfach und zuverlässig in Linearbewegungen umgesetzt werden müssen, bzw. wo vergleichsweise kleine und starke Linearantriebe gefragt sind, z. B. als Ersatz pneumatischer und hydraulischer Stellglieder. Dabei ist das erreichbare Kraft/Volumen-Verhältnis dem von hydraulischen Systemen ebenbürtig. Herkömmlichen Gewindetrieben mit Trapez- oder metrischem Profil sind sie überlegen, da sie einen wesentlich besseren Wirkungsgrad und geringeren Verschleiß aufweisen.
Der Siegeszug beginnt
Namhafte Automobilfirmen haben sich inzwischen der Gewindespindel angenommen, teils um sie bei der Karosseriefertigung zu nutzen, um diverse Linearverstellungen im Innenraum zu verstellen oder um sie in Bremsen zu integrieren, ist sie doch für den Einsatz in motorisch angetriebenen Verstelleinheiten prädestiniert, die mit hohem Wirkungsgrad viele Jahre wartungsfrei, zuverlässig und geräuscharm betrieben werden müssen. Auch das Feld der übrigen Anwendungen ist weit. Beispiele sind Aktoren für Luftklappen in Klimaanlagen oder Rauchklappen in Gebäuden, Hubgetriebe in medizintechnischen Geräten oder in der Reha-Technik, Spitzgießmaschinen, Ventilverstellungen oder Mischer sowie Positionierantriebe mit hohen Anforderungen an Auflösung und Wiederholbarkeit.
Das gewaltige Potential der Planenten-Wälz-Gewindespindel hat auch die Firma Steinmeyer erkannt, die inzwischen eine entsprechende Produktlinie etabliert hat und die Spindeln inzwischen in unterschiedlichen Baureihen und Ausführungen anbietet.
Art der Zusammenarbeit:
Es werden Interessenten für Lizenznahme gesucht.
Ausführliche Informationen
Planeten-Wälz-Gewindespindel
KEM 565
Lizenznahme
KEM 566
Die Autoren dieses Beitrages
Prof. Dr.-Ing. Gerd Hirzinger,
Jahrgang 1945, studierte an der TU München Elektrotechnik. Er ist derzeit Direktor des Instituts für Robotik und Systemdynamik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Oberpfaffenhofen und wurde u.a. mit dem höchstdotierten Wissenschaftspreis, dem Leibniz-Preis, ausgezeichnet.
Dipl.-Ing. Bernd Gombert,
Jahrgang 1960, studierte Maschinenbau und Feinwerktechnik an der FH Gießen. Er leitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter die mechanischen Entwicklungen am Institut für Robotik und Systemdynamik an dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Für die Entwicklung u.a. der Space Mouse (Siehe KEM Heft 3/1999) wurde er von der VDI/VDE-Ge-sellschaft Mikro- und Feinwerktechnik 1994 mit dem Alfred-Kuhlenkamp-Preis ausgezeichnet.
Unsere Webinar-Empfehlung
Systems Engineering im Fokus

Ingenieure bei der Teambesprechung

Mechanik, Elektrik und Software im Griff

Video-Tipp

Unterwegs zum Thema Metaverse auf der Hannover Messe...

Aktuelle Ausgabe
Titelbild KEM Konstruktion | Automation 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts
Webinare

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper
Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de