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Leichter, fester, zukunftssicher

Warm- und kaltgewalzte Mehrphasenstähle und ihre Anwendung
Leichter, fester, zukunftssicher

In den vergangenen fünf Jahren hat ein deutscher Stahlproduzent mehr als die Hälfte seiner Stahlsorten weiterentwickelt und modifiziert. Triebfeder hierfür waren insbesondere die Anforderungen der Automobilindustrie, die gefordert ist, leichtere Fahrzeuge mit geringerem Kraftstoffverbrauch zu entwickeln. Besonderes Augenmerk finden hier die Mehrphasenstähle.

Der Beitrag ist die Kurzfassung eines Referats von Dr. Bernhard Engl, Hauptbereichsleiter Werkstoff- und Verfahrensentwicklung bei Thyssen Krupp Stahl AG, Dortmund

Mehrphasenstähle
Um ihre wichtigsten Kunden mit optimalem Vormaterial zu versorgen, muss die Thyssen Krupp Stahl AG einen permanenten Zielkonflikt lösen: Es gilt, Stähle zu entwickeln, die einerseits eine hohe Festigkeit und damit Potenzial für Gewichtsreduktion bieten, und gleichzeitig Umformeigenschaften besitzen, die eine problemlose Verarbeitung in der Serie zulassen. Diese Aufgabe wurde unter anderem mit einer breiten Palette neuer Mehrphasenstähle gelöst.
Mehrphasenstähle bilden eine Werkstoffgruppe, deren mechanische Eigenschaften durch eine maßgeschneiderte Kombination unterschiedlich harter Gefügebestandteile eingestellt werden. Diese Stähle bieten heute gegenüber den vor mehr als 20 Jahren entwickelten mikrolegierten thermomechanisch gewalzten Stählen eine um bis zu 50 Prozent erhöhte Festigkeit: Der Spitzenwert bei warmgewalztem Band liegt bei 1 400 Newton pro Quadratmillimeter (N/mm²). Trotz ihrer Festigkeit können Mehrphasenstähle auf sehr geringe Warmbanddicken von 1,5 Millimeter gewalzt werden. Die Umformbarkeit wurde insbesondere bei den Restaustenitstählen mit hohem Festigkeitsniveau gegenüber bisher bekannten Stählen deutlich verbessert.
Auch bei Kaltband ist es durch die Einführung der Mehrphasenstähle gelungen, die Um-formeigenschaften zu verbessern und den Festigkeitsbereich zu erweitern. So werden Dualphasenstähle heute mit Festigkeiten von 500 bis 600 N/mm² sowie Trip-Stähle im Festigkeitsbereich von 600 bis 800 N/mm² angeboten.
Serienmäßig produziert der Stahlhersteller heute
n Dualphasenstähle mit einem Gefüge aus weichem Ferrit und eingelagerten, harten Martensitinseln
n Complexphasenstähle mit einem Gefüge aus unterschiedlichen Bainitarten mit eingelagerten Martensitinseln und
n Martensitphasenstähle mit einer im Wesentlichen martensitischen Gefügestruktur.
Dualphasenstähle sind leichter und fester
Der Dualphasenstahl DP 600 mit einer Festigkeit von 600 N/mm² ist heute in warmgewalzter Ausführung der wichtigste Werkstoff für die Herstellung gewichtsreduzierter Räder für die Automobilindustrie. Verglichen mit einem aus konventionellem Stahl gefertigten Rad ergibt sich durch den Einsatz des Dualphasenstahls ohne Mehrkosten eine Gewichtseinsparung von rund 20 Prozent. Verglichen mit Aluminium ist das Stahl-Leichtbaurad zwar noch um 20 Prozent schwerer, kostet aber weniger als die Hälfte.
Eine neue Perspektive für Dualphasenstahl sind Anwendungen für Karosserie-Außenhautteile. Gegenwärtig laufen bei Thyssen Krupp Stahl gemeinsam mit einem Automobilhersteller Entwicklungsarbeiten für eine Pkw-Tür aus dem Dualphasenstahl DP 500 als Kaltband. Der Werkstoff hat eine Festigkeit von 500 N/mm² und bietet eine erhöhte Beulfestigkeit und Möglichkeiten zur Material- und damit Gewichtseinsparung. Der Serieneinsatz des Bauteils und damit die weltweit erstmalige Anwendung eines höherfesten Stahls für Karosserie-Außenhautteile, steht kurz bevor. Im nicht sichtbaren Bereich der Karosserie sind bereits Struktur- und Verstärkungsteile aus kaltgewalztem DP 500 im Serieneinsatz.
Hohe Crash-Energieaufnahme
Complex- und Martensitphasenstähle sind gegenwärtig insbesondere bei crashrelevanten Teilen, bei denen es auf hohe Energieaufnahme bei geringer Verformung ankommt, im Se-rieneinsatz. So werden die Seitenaufprallträger des VW Golf aus Complexphasenstahl mit einer Festigkeit von 800 bis 1.000 N/mm² gefertigt. Dass sich der Werkstoff auch für geometrisch anspruchsvolle geformte Teile ausgezeichnet eignet, beweist der CP 800 als B-Säulen Verstärkung. Ein weiteres aktuelles Beispiel für den Erfolg höchstfester Stähle im Automobilbau ist der Einsatz eines Martensitphasenstahls mit einer Festigkeit von 1.200 N/mm2 als Seitenaufprallschutz: Die Kosten- und Gewichtsvorteile dieser Lösung waren so überzeugend, dass der Automobilhersteller in der laufenden Serie von Aluminium auf den höchstfesten Stahl wechselte. Verglichen mit dem Aluminium-Bauteil ist der Seitenaufprallträger aus Martensitphasenstahl 50 Prozent billiger und nur fünf Prozent schwerer. Der Einsatz als Seitenaufprallträger ist die erste Serienanwendung eines derart festen Stahls als kalt verformtes Pressteil.
Weiterentwicklungen im Labor
Daran, dass die Werkstoffentwicklung mit den steigenden Ansprüchen der Kunden an Gewicht und Kosten Schritt hält, wird zurzeit in den Forschungslabors der ThyssenKrupp Stahl AG gearbeitet. Ganz neu und noch im Versuchsstadium sind partiell martensitische Stähle mit einem ferritisch-martensitischen Gefüge. Der Martensitanteil beträgt bis zu 60 Prozent. Eingestellt wird die Gefügestruktur durch die Wärmebehandlung beim Durchlaufglühen oder beim Verzinken.
Typisch für diese Stahlgruppe ist eine hohe Festigkeit von über 800 N/mm² bei einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsstreckgrenze.
Der Werkstoff verfestigt sich schon bei geringer Umformung sehr stark, sodass eine hohe Endfestigkeit des Bauteils erreicht werden kann.
Zukunfts-erwartungen
Besonders hohe Zukunftserwartungen setzt Thyssen Krupp Stahl in die neuen TRIP-Stähle, die sich gegenwärtig in der Entwicklung befinden: Sie haben ein im Wesentlichen bainitisch-ferritisches Gefüge mit eingelagerten Restaustenitinseln, die sich beim Pressvorgang in harten Martensit umwandeln. Die Abkürzung TRIP bedeutet Transformation Induced Plasticity. Probeabpressungen haben gezeigt, dass sich TRIP-Stähle sehr gut für anspruchsvolle Bauteile eignen, die unter hohen Streck- und Tiefziehbelastungen hergestellt werden.
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Mehrphasenstähle
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