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Hinterachse lenkt mit

Hydraulikkomponenten im Omnibus: Fahrkomfort und Sicherheit
Hinterachse lenkt mit

Wenn die Länge eines Omnibusses zunimmt, vergrößert sich bei konventioneller Lenkung allerdings auch der Wendekreis und durch den langen hinteren Überhang das Ausschwenkmaß. Dieser Effekt läßt sich verhindern, indem die Triebachse sich ebenfalls durch eine komfortable Regelung lenken läßt und damit eine virtuelle Achsstandsverkürzung erzeugt wird.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem Hause Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich Automationstechnik (AT), Stuttgart

Vorteil: Hydraulik
Auf die Frage, welche Vorteile dieses Lenksystem für Omnibusse bietet, antwortet Dipl.-Ing. Markus Wiedemann, Entwicklungsingenieur bei Auwärter: „Wenn wir längere Autos entwickeln und bauen, dann dürfen die Fahrzeuge im hinteren Bereich nicht so stark ausschwenken. Das Ausschwenkmaß sollte minimal und zwischen den Achsen muß möglichst viel Platz sein, um dort niederflurige Platzverhältnisse zu haben.“
Wenn die Länge des Fahrzeuges zunimmt, vergrößert sich bei konventioneller Lenkung allerdings auch der Wendekreis und durch den langen hinteren Überhang das Ausschwenkmaß.
Das verhindern Wiedemann und seine Kollegen indem sie die Triebachse ebenfalls lenken und damit eine virtuelle Achsstandsverkürzung erzeugen. Das heißt, allein durch einen Lenkungseinschlag von nur fünf Grad an der Triebachse wurde der Wendekreis eines 15 Meter langen Busses dem eines zwölf Meter langen gleichgesetzt.
Aktiv gelenkte Hinterachse
Es gibt jedoch auch Neo-plan-Omnibusse, deren Hinterachse elektro-hydraulisch mit bis zu 35 Grad eingelenkt wird.
Wobei die Fahrzeugentwickler darauf achten, daß die Manövrierfähigkeit in etwa immer gleich ist, der Unterschied liegt dann im Radstand. Der Radstand von 8,6 Metern wird – bei gleicher Handlichkeit des Busses – durch die neue Lenkung um etwa 2,5 Meter virtuell verkürzt.
Beim Stadtbus N 4020 mit 15 Metern Länge werden beide Hinterachsen, die Trieb- und die Nachlaufachse, aktiv gelenkt. Bei diesen dann dreiachsgelenkten Fahrzeugen steuert der Fahrer auch bei der Rückwärtsfahrt sämtliche Achsen exakt kinematisch. Das verleiht dem Bus eine hohe Wendigkeit.
In diesem Einsatzfall spielt das modulare Konzept von Bosch und Mobil Elektronik seine Vorteile aus:
Die Lenkung wird als ein Baustein montiert. Die Kinematik ist so gestaltet, daß ein Zylinder beide Achsen lenkt. Bei bisherigen Konzepten wurde beim Rückwärtsfahren die Nachlaufachse gesperrt.
„Im hohen Geschwindigkeitsbereich stellen wir die Antriebs- und Nachlaufachse in Geradeausstellung starr. Hier gilt das gleiche Prinzip wie im Wassersport: Länge läuft. Der Omnibus fährt ruhiger und spurtreu und liegt besser auf der Straße“, so Wiedemann über die fahrdynamischen Vorteile des Lenk-systems.
Sicherheit wird groß geschrieben
Das neue System ist aus Sicherheitsgründen redundant aufgebaut; das heißt, es besteht aus zwei Kreisen. Die eigentliche Lenkung übernimmt der Lenkungsblock – er ist mit einem Bosch-Proportionalventil ausgerüstet, das die Achse sehr genau positioniert. Ein doppeltes Speichersystem von Bosch dient als Energie-Notreserve und gewährleistet einen dynamischen Lenkvorgang.
Eine Zentriereinheit, die elektronisch und hydraulisch vom Lenkungsblock völlig getrennt als zweiter Kreis aufgebaut ist, ist in das System integriert. Diese Einheit verfügt auch über eine eigenständige Energiereserve in Form von zwei Speichern. Tritt im Lenkungsteil ein Fehler auf, dedektiert es die Sicherheitselektronik und löst eine Notzentrierung aus. Die sichere Stellung der Achse ist als Geradeausstellung definiert.
Ein spezieller Zentrierzylinder richtet völlig unabhängig von der Steuerungstechnik nur durch Beaufschlagung mit Drucköl die Achse gerade.
Systembeschreibung
Der Fahrer greift ins Lenkrad, schlägt ein und über eine starre Verbindung zwischen Lenkrad und -getriebe wird das Getriebe wie bei einem Pkw ausgelenkt. Im Lenkgetriebe ist ein Sicherheitswinkelgeber integriert.
Dieser Sensor nimmt die Befehle auf und gibt sie dem Sicherheitslenkcomputer weiter. Nach der Berechnung des Sollwertes für die Auslenkung der Hinterachse, gibt der Sicherheitslenkcomputer elektronisch den Befehl an das Proportionalventil weiter, das wiederum steuert den Lenkzylinder an.
An der Hinterachse ist ein zweiter Sicherheitswinkelgeber montiert, der den Ist-Winkel an den Lenkcomputer zurückmeldet. So regelt der Computer kontinuierlich mit dem Sollwert und dem Ist-Wert die Lage der Lenkung.
Die Hydraulik ist als Zweikreis-System ausgeführt, vergleichbar mit einer Bremse. Es ist zwar nur eine Zahnradpumpe von Bosch im Einsatz; aber nach der Druckerzeugung (etwa 150 bar) teilen sich die Hydraulikkreise auf. In den Steuerblöcken ist ein Bosch-Rückschlagventil eingebaut, das verhindert, daß Öl – selbst im Falle eines Leitungsdefektes – zurückfließt. So ist immer, unabhängig von der Versorgung durch die jeweils zwei Speicher, die Lenkfähigkeit der Hinterachse und eine Zentrierung der Achse gewährleistet. Die elektro-hydraulische Lenkung bietet im Vergleich zur Mechanik einige Vorteile.
Der Entwicklungsingenieur von Neoplan erläutert sie wie folgt: „Die elektro-hydraulische Lenkung ist sehr flexibel einsetzbar. Sämtliche mechanischen Verbindungen sind überflüssig. Außerdem arbeitet eine solche Lenkung „intelligent“. Wie läßt sich an einer Haltestelle eine Parallelausfahrt realisieren, ohne daß man die Haltestelle überhaupt berührt.
Es lassen sich Logiken (Heck-Ausschwenk-Unterdrückung) aufbauen, die mechanisch nicht möglich wären.“
Bewegungskontroll-Automatik
Die Lenkung der Hinterachse kann von vielen Faktoren, zum Beispiel von der Fahrgeschwindigkeit, abhängig gemacht werden.
Bei steigender Geschwindigkeit werden die Lenkwinkel bis zur Verriegelung der Achse reduziert. So wird der Omnibus bei höheren Geschwindigkeiten fahrstabiler.
Komplizierte Regelungen wie zum Beispiel Haltestellen-Automatik sind möglich: Das heißt das Fahrzeug steht, die Türen sind geöffnet, das Lenksystem registriert diese Situation und stellt die Hinterachse für eine bestimmte Strecke nach dem Anfahren gerade, damit das Heck nicht ausschwenkt.
Die „Intelligenz“, die dieses neue Lenksystem bietet, entlastet den Fahrer. Die Elektronik erkennt automatisch – „Rad dreht nicht, die Tür steht offen“ – somit steht der Bus jetzt an einer Haltestelle. Dann wird im elektronischen Speicher das Programm „Haltestelle“ aktiviert und die notwendigen Maßnahmen laufen automatisch ab.
Zum Beispiel verhindert die elektro-hydraulische Lenkung eine Kollision zwischen eingelenktem Hinterrad und der sich öffnenden Außenschwenktür durch den aktiv im Stand zurückgenommenen Achseinschlag.
Mittlerweile sind mehr als 150 Neoplan-Busse mit der neuen Lenkung im Einsatz. Es gibt Fahrzeuge, die bereits 200 000 Kilometer und mehr auf dem Tacho haben.
Besonders die zukünftigen Möglichkeiten faszinieren die Omnibusbauer in Stuttgart-Möhringen.
Die Hinterachse wird heute in einem Ausmaß gelenkt, das beinahe den Aktionsradius einer Vorderachse erreicht. Hinten läßt sich bald möglicherweise ein Lenkeinschlag von bis zu 42 Grad realisieren, heute sind es bereits 35 Grad. Fährt der Bus rückwärts, ist die Hinterachse quasi die Vorderachse und kann wie die Vorderachse gelenkt werden.
Mobilhydraulische
Komponenten
KEM 465
Teamarbeit Hand in Hand
Die Mobil Elektronik GmbH beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Steuer- und Regelungssystemen in mobiler Anwendung, besonders mit Lenkungssystemen. Zusammen mit der Gottlob Auwärter GmbH & Co., die Omnibusse der Marke Neoplan in Stuttgart-Möhringen produziert, entwickelten die Spezialisten der Mobilelektronik eine Elektro Hydraulische Lenkanlage (EHLA), die die Hinterachse lenkt. Die dazugehörigen Hydraulikkomponenten wie Ventile, Zahnradpumpe, Sensoren und Speicher lieferte der Bosch-Geschäftsbereich Automationstechnik (AT).
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