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Genauigkeit durch Phasenanschnitt

Thyristor-Leistungssteller: temperaturexakte Beheizung von Glasschmelzen
Genauigkeit durch Phasenanschnitt

Um Glasprodukte herzustellen, müssen die Schmelztemperaturen genauestens eingehalten werden. Bei der Nachtmann Crystal AG, die in all ihren Unternehmen hochwertige Glasprodukte herstellt, werden einige der Schmelzen und angeschlossenen Handlingsgeräte elektrisch mit Thyristor-Leistungsstellern beheizt. „Richtiges Design in richtiger Qualität zum richtigen, aber nicht unbedingt niedrigsten Preis“, ist dabei eine Unternehmensrichtlinie, die sich vom Entwurf über den eigentlichen Schmelzprozeß bis zum Endprodukt durchzieht.

Der Autor Dipl.-Ing. Michael Harro Liese ist Leiter des Fachgebiets Leistungssteller bei der AEG SVS Power Supply Systems GmbH in Warstein-Belecke

Die elektrisch beheizte Glasschmelze
Die elektrische Beheizung von Schmelze und Handlingsgeräten wie Feedern und Kanälen hat für den Glasproduzenten auch qualitative Gründe. Für eine gleichbleibend hohe Glasqualität ist die Einhaltung engster Temperaturtoleranzen erforderlich, um Spannungen und Inhomogenitäten im Endprodukt zu vermeiden. Glas wird ab einer Temperatur von rund 800° C elektrisch leitfähig. Da die Glasschmelze je nach Glaszusammensetzung stets zwischen ca. 1 100 und 1 500 °C gehalten werden muß, ist es möglich, diese durch direkt in der Schmelzwanne installierte Elektroden zu beheizen. Die Temperaturdifferenz zwischen Rohmaterial und bereits flüssigem Glas sorgt in der Wanne für einen Kreislauf. Das flüssige Rohglas bildet dann eine homogene Masse, deren spezifisches Gewicht höher liegt als das des Gemenges. Es setzt sich daher unten im Ofen ab, von wo es in die Produktion weitergeleitet wird.
Fossile Beheizungen sind zwar in der Anschaffung billiger als elektrische Schmelzen, aber die Energieverluste durch Abwärme, die nicht mehr für den Schmelzvorgang nutzbar ist, bewegen sich in der Regel zwischen 60 und 75 %. Die elektrische Beheizung der Schmelzwanne erfolgt über Elektroden, die in der Glasmasse liegen, so für optimale Energieverteilung sorgen und nur wenig Verluste über die Außenumgebung mit sich bringen. Deren Wirkungsgrad liegt daher bei mehr als 95 %. Oder anders gesagt:
Der Energieverbrauch pro Kilo geschmolzenen Glases liegt bei elektrischen Systemen mit nur 0,75 kWh/kg um den Faktor drei bis vier niedriger als bei fossilen Heizungen, die zunächst nur die Oberfläche des Glasgemenges erreichen. So dauert die Aufheizung bis in die Tiefe der Wanne wesentlich länger.
Genaue und schnelle Stellvorgänge
Nachtmann hat das System der elektrischen Beheizung jedoch dahingehend erweitert, daß die Oberfläche der Schmelze zusätzlich durch eine Art Energiedeckel mit Gasbeheizung vor Energieverlusten bewahrt wird.
Dieses Verfahren wird auch Mix-Melted genannt. Da es auf genaueste Einhaltung der Schmelztemperatur ankommt – bei Kristallglas 1 320 bis 1 340° C –, ist die Auswahl der entsprechenden elektronischen Regel- und Stellelemente von hoher Bedeutung.
Daher setzt die Firma Nachtmann auf die Thyristor-Leistungssteller der AEG Power Supply Systems GmbH (AEG SVS). Diese Geräte ermöglichen genaue, schnelle und verschleißfreie Stellvorgänge. Die parallel angesteuerten Thyristor-Leistungssteller vom Typ AEG Thyro-M bedienen jeweils eines von 20 Elektrodenpaaren in der Schmelzwanne. „Für uns war die Variationsvielfalt der elektrischen Beheizung sowie die hohe Stellgenauigkeit der AEG-Geräte bei der Auswahl entscheidend“, erklärt Franz Meier, Abteilungsleiter Elektro. „Die hochwertigen Gläser, die bei uns größtenteils mundgeblasen werden, erfordern optimale Voraussetzungen, um den Ausschuß, der aus mangelhaftem Rohglas entsteht, möglichst gering zu halten.
Mit Hilfe der Thyristor-Steller, Typ Thyro-M, die über einen Lichtwellenleiter mit dem Steuerungssystem kommunizieren, konnten wir einen großen Teil der Heizungssysteme vollständig automatisieren.“
Aus der Erfahrung im Umgang mit dem Schmelzprozeß werden Sollwerte vorgegeben, die von den Stellern über eine Stromregelung der Elektroden konstant gehalten werden. In das System wurde auch eine vorausschauende Chargensteuerung integriert, die auf die Zuführung weiteren Rohmaterials reagiert.
Leistungssteller mit Phasenschnittprinzip
Die beschriebene Installation in Neustadt hat eine Leistungsaufnahme von 420 kW für die elektrische Beheizung in der Schmelzwanne und weitere 420 kW für Oberflächenheizungen.
Eine Besonderheit bei der Wannenheizung ist, daß die Steller nicht mit Drehstrom betrieben werden, sondern die Trafos der Elektroden im Zwei-mal-Einphasen-Betrieb angeschlossen sind. Dabei entsteht zwar ein relativ hoher Blindstrom, aber die Elektrodenpaare beeinflussen sich nicht gegenseitig. Diese normalerweise mögliche Beeinflussung ist darauf zurückzuführen, daß die Ströme nicht nur zwischen korrespondierenden Elektroden fließen, sondern auch zu den anderen vor- oder nachgeschalteten Elektroden. Auch hochspannungsseitig wird einphasig in die Trafos eingespeist.
Die Thyro-M Leistungssteller werden nach dem sog. Phasenanschnittprinzip betrieben. Dabei wird ein Temperatur-Sollwert eingestellt und mit einer I2–Regelung ein konstanter Strom vorgegeben.
Die Wechselstromsteller sind in diesem Falle Einphaseneinheiten, die aus zwei antiparallel geschalteten Thyristoren mit integrierter Regelelektronik bestehen. Bei jedem Transformator eines Elektrodenpaars verwendet man den im Thyristor eingebauten Stromwandler zur Istwerterfassung.
Thyro-M
Leistungssteller
KEM 552
AEG Thyrosoft-
Motorsanftanlauf
KEM 553
Das Unternehmen
Seit mehr als 160 Jahren beheimatet der Bayerische Wald die Vorläufer des auch heute noch von der Gründerfamilie geführten Unternehmens Nachtmann Crystal. Das Unternehmen gehört heute mit einem Jahresumsatz von rund 200 Millionen DM zu den Marktführern einer Branche, die den Rahmen verfeinert, in dem wir die angenehmen Dinge des Lebens genießen – ohne daß diese Dinge lebensnotwendig wären. Mit fünf Werken in Deutschlands Süden bedient Nachtmann den Weltmarkt mit Glasprodukten, die vom Trinkglas über Geschenkartikel aus Glas bis hin zu Glasleuchten reichen.
Im Werk in Neustadt a. d. Waldnaab wird mit rund 18 Tonnen pro Tag im Vergleich zu anderen Werken nur eine relativ geringe Glasmenge geschmolzen, denn hier entstehen wenige maschinell geformte Gläser. Vielmehr werden in Neustadt – ganz wie früher – die hochwertigen Trink- und Geschenkgläser von Hand bzw. mundgefertigt. Dabei setzt Nachtmann im wesentlichen auf eine elektrische Beheizung der Glasschmelze. Fossile Brennstoffe kommen nur noch in geringerem Maße zum Einsatz.
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