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Fester als Stahl

Herstellung massiver metallischer Gläser
Fester als Stahl

Fester als Stahl
Metallisches Massivglas: Fester als Stahl, aber elastisch wie Kunststoff
Bei der Herstellung von Glas wird flüssige Silikatschmelze verwendet. Kühlt diese ab, wird sie immer dickflüssiger und „gefriert“ zu Glas. Lange ist bekannt, dass dies auch bei Metallen möglich ist. Aber erst heute kann man massive metallische Gläser herstellen, die sich beispielsweise ideal als Federwerkstoff eignen.

Die Autorin Friederike Meyer zu Tittingdorf ist Pressesprecherin der Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Wird bei der Glasherstellung der Quarzkristall geschmolzen, entstehen im Inneren ungeordnete Strukturen. Wird die Flüssigkeit dann abgekühlt, beginnen sich die Atome zu ordnen, jedoch nicht so weit, dass wieder regelmäßige Kristallstrukturen entstehen. „In diesem Zustand, den wir als unterkühlte Schmelze bezeichnen, ist das Material zähflüssig und kann zum Beispiel beim Glasblasen sehr gut geformt werden. Durch weiteres Abkühlen gefriert die unterkühlte Schmelze zu einem Quarzglas, das auch als Silikatglas bezeichnet wird. Man nennt dieses Einfrieren den Glasübergang“, erläutert Ralf Busch, Professor für metallische Werkstoffe der Universität des Saarlandes.
Glas aus Metalllegierungen
Glas herzustellen ist aber nicht nur mit Quarzkristall möglich. Das Verfahren ist auch von verschiedenen Metallkombinationen bekannt, dort aber viel schwieriger umzusetzen. „Bereits vor 50 Jahren hat man entdeckt, wie man metallische Gläser erzeugen kann. Man brauchte jedoch Abkühlraten von bis zu einer Million Grad pro Sekunde und konnte deshalb nur dünne Folien herstellen“ sagt der Materialforscher. In den letzten 20 Jahren habe man aber gelernt, bis zu fünf verschiedene Metalle so zu mischen, dass man diese Legierungsschmelze nicht mehr schnell abkühlen muss, um metallisches Glas zu bilden. Die neuen Legierungen lassen sich wie Silikate oder Kunststoffe als zähe Flüssigkeit leicht verarbeiten und sind als Glas fester als Stahl.
Busch erklärt das Phänomen so: „Mischungen aus großen und kleinen Metallatomen sind zähflüssig und kristallisieren viel langsamer. Dadurch kann man mehrere Zentimeter dicke metallische Massivgläser herstellen, die sich als Konstruktionswerkstoff eignen.“ Eine Silikatschmelze ist bereits am Schmelzpunkt zähflüssig wie Honig. Das liegt daran, dass sich die Atome in ihr langsam bewegen, weshalb sie auch sehr langsam kristallisiert.
Starke Flüssigkeit
Man nennt sie deshalb eine „starke“ Flüssigkeit. Viele Flüssigkeiten sind an ihrem Schmelzpunkt jedoch sehr dünnflüssig. Hierzu gehören Wasser und alle reinen Metalle. Die Atome bewegen sich in diesen Flüssigkeiten schnell, so dass bei wenigen Grad unter dem Schmelzpunkt Kristallisation einsetzt. Aufgrund ihrer geringen Tendenz zur Glasbildung nennt man sie „fragil“. „Wenn man jedoch Wasser auf eine ganz bestimmte Weise kühlt und verhindert, dass sich dabei Eiskristalle bilden, wird weit unter dem eigentlichen Gefrierpunkt aus dem dünnflüssigen, fragilen Wasser ein dickflüssiges, starkes Wasser, dass bei noch tieferen Temperaturen zu einem glasartigen Wasser einfriert“, erläutert Ralf Busch.
Die Materialforscher fanden heraus, dass auch die glasbildenden Metallschmelzen einen solchen Übergang vom dünn- zu einem dickflüssigen Zustand aufweisen. Der Grund ist, dass sich die Atome in der Flüssigkeit ordnen, jedoch noch keine feste Kristallstruktur ausbilden. Die Wissenschaftler wollten nun wissen, ob dieser Übergang von der fragilen in eine starke Substanz ein generelles Phänomen ist, das in jeder Materie abläuft. Dafür haben sie eine Legierung aus Eisen und Kobalt unter die Lupe genommen. Diese hat zwar eine Kristallstruktur, aber auch hier organisieren sich die Atome von einem ungeordneten Mischkristall zu einem geordneten Kristall. Dieser Übergang ist theoretisch bereits gut verstanden.
„Japanische Forscher hatten bei diesem Werkstoff schon vor rund 70 Jahren Effekte beobachtet, die sie damals nicht erklären konnten. Sie ähneln dem Einfrieren, das wir bei Flüssigkeiten am Glasübergang beobachten“, sagt Professor Busch. Sein Team hat daher gemeinsam mit Austen Angell, Glasforscher an der Arizona State University (USA), mit dieser Legierung experimentiert. Es stellte sich heraus, dass das Einfrieren in der Eisen-Kobalt Legierung genauso abläuft wie in den Silikatgläsern und ähnlich wie in glasbildenden Metallschmelzen.
Diese grundlegende physikalische Arbeit ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit den metallischen Massivgläsern ein neuer Konstruktionswerkstoff im Kommen ist. „Das Material ist fester als Stahl, aber so elastisch wie Kunststoff, also ein idealer Federwerkstoff. Metallisches Glas lässt sich dabei mit den gleichen Methoden wie Kunststoff verarbeiten, zum Beispiel durch Spritzguss oder Blasformen“, erläutert Professor Busch. Anwendungen sieht er beispielsweise im Feinguss, bei mikromechanischen Bauteilen oder dünnen, hochfesten Gehäuseteilen für elektronische Geräte.
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