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Ein Hauch von Steifigkeit

Standardisierte Luftlager für Präzisionsanwendungen
Ein Hauch von Steifigkeit

Nach dem Siegeszug des Kugellagers im vergangenen Jahrhundert scheint die Zeit für einen neuen Quantensprung in der Führungstechnik gekommen zu sein. Das Lager auf Luft bietet den Konstrukteuren eine breite Palette von Möglichkeiten zur Produktinnovation.

Der Autor Dr. H. A. M. Spaan ist Managing Director bei IBS Precision Engineering bv., NL-CM Best

Ein Schmiermittel soll die Reibung zwischen zwei zueinander bewegten Bauteilen verringern, seine Umwelt möglichst wenig belasten, preiswert und verfügbar sein. Als optimales Schmiermittel kann man Luft durch das Lager führen und wieder an die Umgebung abgeben. Sie ist hundert Mal dünner als Wasser und kann deshalb überall dort eingesetzt werden, wo hohe Geschwindigkeit und sehr geringe Reibung gefragt sind. Diese Methode ist jedoch wenig verbreitet, weil sie eine vergleichsweise komplexe Technologie erfordert und es bis vor kurzem kaum Standardbauteile gab. Dank technologischer Verbesserungen sind Luftlager jedoch seit kur-zem deutlich einfacher als Standardkomponenten herzustellen und mittlerweile auch kommerziell erhältlich.
Der amerikanische Hersteller New Way (in Europa durch IBS Precision Engineering in Best vertreten) hat ein Luftlager-Programm entwickelt, das aus vier Produktgruppen besteht: flache Luftlager, zylindrische Luftführungsbuchsen, mit Vakuum vorgespannte Luftlager und luftgelagerte Plattformen.
Hohe Wiederholgenauigkeit
In Wafersteppern kommen fast ausschließlich Luftlager zum Einsatz, da hier die Wiederholgenauigkeiten von etwa 10nm gefordert werden.
Durch die fehlende Reibung bietet ein Luftlager eine viel höhere Wiederholgenauigkeit in Bezug auf die Position. Messmaschinen werden bereits seit 1965 mit Luftlagerung ausgestattet. Insbesondere bei Abtast- und Messtätigkeiten, die eine hohe Auflösung erfordern, wird bei zahlreichen Typen diese Form der Führung aufgrund der Reibungsfreiheit und der Möglichkeit, absolut gerade Bewegungen auszuführen, vorgezogen. Stabilität ist bei Luftlagerung ein wichtiger zu beachtender Faktor. Ein Luftlager ist instabil, wenn es Schwingungen unterliegt. Diese Instabilität ist als sog. „Presslufthammer” bekannt. Sie tritt auf, wenn die über die Lagerfläche entweichende Luft behindert wird, weil der Spalt geringfügig schmaler als die Spaltbreite ist, die für ein Gleichgewicht sorgen würde. Dadurch steigt der Luftdruck an und „drückt” das Lager hoch, so dass sich der Spalt vergrößert. Die Luft kann jetzt wieder freier aus den Öffnungen strömen; der Luftdruck sinkt, wodurch sich der Spalt wieder verkleinert und der Prozess beginnt von vorne.
Lager mit Ausströmöffnungen
Der Luftstrom im Spalt wird durch Ausströmöffnungen geregelt. Vielfach lassen kalibrierte Öffnungen die genaue Luftmenge durch. Diese Düsen bestehen aus verschleißfestem Edelstein. Die maximal durchgelassene Luftmenge trägt eine bestimmte Belastung bei definiertem Spaltmaß und einem festen Luftdruck, so dass die „obere Hälfte” des „Presslufthammer”-Zyklus begrenzt wird und dies die Stabilität der Lagerung garantiert. Hier ist äußerst hohe Genauigkeit gefordert: das Gleichgewicht kann sehr leicht gestört werden, da die Strömung mit dem Quadrat des Öffnungsdurchmessers zunimmt.
Häufig werden auch flache Luft-rillen zur Verbesserung des Druckprofils unter Last verwendet. Rillenkompensierte Lager sind nicht von einer oder mehreren Öffnungen zur Luftzufuhr abhängig. An ihrer Stelle regeln Präzisionsrillen den Luftstrom im Tragspalt. Die Tiefe dieser Rillen beträgt meistens 5 µm oder weniger. Auf den ersten Blick sind diese Rillen auf der Oberfläche mitunter gar nicht zu erkennen. Bei diesen Lagern wird von einer relativ höheren Steifigkeit im Vergleich zu Lagern mit einer oder mehreren Ausströmöffnungen ausgegangen. Die Auslegung und die Toleranzen der Rillentiefe und -breite sind kritische Faktoren bei der Herstellung der Lager.
Poröse Luftlager
Seit kurzem bietet sich eine viel elegantere Alternative zur Regelung der Luftströmung durch den Spalt an. Ein ideal ausgelegtes Luftlager sollte für einen gleichmäßig verteilten Luftdruck über der tragenden Oberfläche sorgen, während die Luftströmung zur Oberfläche gleichzeitig automatisch geregelt und gedämpft wird. Dieses Ziel kann erreicht werden, indem man die Luft durch eine poröse Lagerfläche leitet. Die Stabilität eines porösen Luftlagers entsteht durch die Dämpfungswirkung der gewundenen Strömungskanäle, die die Luft vor Erreichen der Oberfläche passieren muss. Diese Dämpfungswirkung behindert die Veränderung des Luftvolumens im Spalt, und verhindert ein Aufschaukeln von Luftmenge und Luftvolumen. Dadurch ergibt sich eine stabile Luftlagerung, die den Einsatz solcher Lager problemloser gestaltet.
Bei einem stabilen Luftlager stellt die Steifigkeit in der Regel die wichtigste funktionale Eigenschaft zur Beurteilung des Lagers dar. Unter Steifigkeit ist das Maß zu verstehen, in dem sich die Dicke der Luftschicht als Funk-tion einer Belastungsänderung ändert. Die Steifigkeit eines Luftlagers hängt stark von der Dicke der Luftschicht ab. Je größer der Luftspalt ist, umso stärker lässt er sich komprimieren. Zur Optimierung der Steifigkeit sind deshalb kleine Luftspalte erforderlich. Poröse Lager sind dabei von Vorteil, da sie sich ohne Festlaufen bei schmaleren Luftspalten bewegen können. Das Lager läuft fest, wenn der Spalt so klein wird, dass an bestimmten Stellen die Strömung und der Luftdruck völlig zum Erliegen kommen. In umgekehrter Reihenfolge ist der Vorgang des Festlaufens beim anfänglichen Lösen des Lagers zu beobachten.
Bei einem Luftlager mit Ausströmöffnungen werden die beiden Lagerflächen zuerst durch die Belastung aufeinander gedrückt. Erhöht man langsam den Luftdruck, hebt sich die Lagerfläche erst, wenn die Strömung sich über der gesamten Lagerfläche ausgebildet hat. Bei porösen Lagern wird der anfängliche Lift-off sehr viel schneller erreicht. Lager auf der Basis poröser Medien erreichen eine viel höhere Steifigkeit, insbesondere bei geringen Dicken der Luftschicht. Ihre Steifigkeit steigt bei Spalten unter 4 µm rasch an, während sie bei herkömmlichen Lagern mit lokalen Öffnungen bei dieser Spaltgröße schnell abnimmt. Die Luftschicht unter 4 µm weist bei porösen Luftlagern eine stark dämpfende Wirkung auf.
Poröse Lager verfügen vielfach über eine Lauffläche aus Kohlenstoff, mit technischem Graphit vergleichbar. Der Graphit sorgt für hervorragende Trageigenschaften, ist relativ weich und beschädigt die Führungsflächen nicht. Selbst wenn Fremdpartikel oder Verunreinigungen zwischen Lagerfläche und Führung gelangen, treten die Beschädigungen nur im Lager und nicht in der Führung auf. Das Lager opfert sich gleichsam für die Führung.
Ein poröses Lager funktioniert auch mit starken Kratzbeschädigungen, da die Beschädigung die Druckverhältnisse nur im Bereich des Kratzers selbst verändert. Das Druckprofil unter der Lagerfläche verändert sich, dadurch verringert sich die Entfernung des Lagers von der Führung. Anstatt jedoch auszufallen, wird die Luftschicht noch steifer. Ein Lager mit Ausströmöffnungen dagegen, bei dem ein Kratzer in der Nähe einer Öffnung oder Rille auftritt, läuft fest, da die gesamte aus der Öffnung strömende Luft den Weg des geringsten Widerstands wählt, anstatt erhöhten Druck zwischen den tragenden Flächen aufzubauen.
Anwendungsbereiche
Luftlager eignen sich für industrielle Zwecke, bei denen konventionelle Lager mit Ölschmierung problematisch sind. Dies ist beispielsweise in staubigen Umgebungen der Fall, da sich Öl und Staubpartikel gegenseitig anziehen. Weitere Anwendungsbereiche sind in pharmazeutischen Fertigungsstraßen oder Zuckerfabriken zu finden. Immer öfter wird bei der Metallbearbeitung die Trockenbearbeitung mit Diamantwerkzeug angewandt. In solchen trockenen, staubigen Umgebungen können Luftlagerführungen und Spindeln in Kombination mit Linearmotoren die Ölschmierung völlig entbehrlich machen. In den meisten Präzisionsmaschinen, die im nm-Bereich arbeiten, werden Luftlager eingesetzt. In Prüfgeräten ist die Reibungsfreiheit von Luftlagern besonders wichtig. Maschinen zur Material- und Ermüdungsprüfung unterliegen beim Einsatz von Luftlagern keinen Reibungsunterschieden aufgrund von Verschleiß, da dieser überhaupt nicht auftritt. Die Vorspannung und der statische Reibungskoeffizient von konventionellen Kugellagern werden häufig mit Geräten geprüft, in die Luftlager eingebaut sind. Der Einsatz von Luftlagern bietet sich auch bei Hochgeschwindigkeitsanwendungen an.
Vorteile poröser Luftlager
– Reibungsfreiheit
– Fehlen von Verschleiß
– Geradlinige Bewegung
– Leise, reibungslose Funktion
– Höhere Dämpfung
– Verzicht auf Öl
– Hohe Geschwindigkeiten
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