Startseite » Produktentwicklung »

Die CFD-Falle

Strömungssimulationen im CAD-Umfeld mit PC-Rechenleistung
Die CFD-Falle

Mit der Evolution der industriellen CAD-Nutzung von der zeichnungsorientierten zur modellorientierten Konstruktion wird ein möglichst durchgängig rechnergestützt gestalteter Produktentwicklungsprozeß mehr und mehr Realität. Die wesentliche Motivation dafür ergibt sich aus den immer kleineren verfügbaren Zeitanteilen für Grundlagenuntersuchungen, Prinzipentwicklung, Konstruktion und Fertigungsvorbereitung in dieser Prozeß-kette.

Der Autor Dipl.-Ing. Ivo Weinhold ist Produktmanager der Firma SolidTeam Informa-tionssysteme GmbH, Frankfurt/M.

Da sich jedoch solche Vorgänge nicht ohne besondere Maßnahmen einfach verkürzen lassen, gewinnt die Wechselwirkung von neuen Organisationsformen wie Concurrent Engineering mit computerbasierten Technologien zur Unterstützung des ingenieurgemäßen Verständnisses von physikalisch-technischen Zusammenhängen im Produkt zunehmend an Bedeutung. Auf dieser Grundlage kann eine stürmische Entwicklung von Simulationssoftware beobachtet werden.
Das Spektrum reicht dabei von der traditionellen Analyse des Strukturverhaltens unter Belastung über die Berechnung von Strömungs-, Wärme- und Stoffübertragungsvorgängen bis hin zu Kinematik- und Dynamikuntersuchungen und der Simulation ganzer Produktionsprozesse.
Berechnung in Produktentwicklungsprozeß
Aber wird diese Software dem eigenen Anspruch der Integration in die Prozeßkette auch wirklich gerecht?
Die heute etablierten Hersteller von Berechnungssoftware können fast ausnahmslos auf eine lange Entwicklungsgeschichte ihrer Produkte zurückblicken, die durch die Natur der Sache stets ein Abbild der Entwicklung der Computerleistung war und ist. Dabei sind die Berechnungsmöglichkeiten und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse immer besser geworden, neue physikalische Modelle wurden integriert und die numerischen Algorithmen teilweise revolutioniert.
Aber ist dadurch auch die Eignung dieser Programme als Werkzeug für den Ingenieur im modernen Produktentwicklungsprozeß verbessert worden? In vielen Fällen ist sogar genau das Gegenteil eingetreten. Mit dem Entwicklungsziel der Einführung immer neuer Funktionalitäten ausschließlich unter fachlichen Gesichtspunkten wurden die Programme immer komplexer, ohne daß adäquate Anstrengungen für die Verbesserung der Nutzbarkeit im sich rasch ändernden Umfeld in den Entwicklungsabteilungen unternommen wurden.
Diese Prioritäten waren sicherlich akzeptabel und auch notwendig, solange auch die Kosten für ausreichende Computerleistung in Regionen lagen, die eine wirtschaftliche Durchführung von Berechnungen und Simulationen ohnehin nur auf ausgewählte industrielle Anwendungsgebiete beschränkte. Das trifft in besonderem Maße auch auf den Einsatz von CFD-Software zu.
Der Begriff CFD – Computational Fluid Dynamics – umfaßt die Simulation von komplexen strömungstechnischen und thermodynamischen Problemstellungen aller Art mit Hilfe numerischer Berechnungsverfahren. Die möglichen industriellen Einsatzfelder für diese Technologie sind (beinahe) unbegrenzt und keinesfalls nur auf die traditionellen Anwendungen in der Kerntechnik, Automobilindustrie, chemischen Industrie oder Luft- und Raumfahrt beschränkt.
CFD-Einsatz in einem CAD-Umfeld
Eine Schlüsselrolle spielen bei der Integration von CFD-Technologie in den Produktentwicklungsprozeß sowohl das Niveau der Anbindung bzw. Integration in eine 3D CAD-Umgebung, um die Durchgängigkeit von Geometriedaten zu sichern, als auch der Bedienungs- und Einarbeitungsaufwand für die Software, um zu zuverlässigen Ergebnissen zu gelangen sowie natürlich die Gesamtkosten für die Bearbeitung einer Simulationsaufgabe. Bis heute konnten sich Strömungsberechnungen noch nicht in einem Umfang wie FEM-Strukturberechnungen in einem CAD-Umfeld etablieren. Strömungs- und Wärmeübertragungsprobleme sind physikalisch und auch mathematisch sicherlich in der Regel anspruchsvoller als übliche Strukturuntersuchungen (beispielsweise werden stets nichtlineare Differentialgleichungssysteme gelöst), aber darüberhinaus lauern noch einige typische CFD-spezifische „Fallen“ auf dem Weg vom 3D CAD-Modell zum zuverlässigen Berechnungsergebnis.
Falle 1: Solid, Fluid und CAD – ein Dilemma
Die augenfälligste „Falle“ ist das 3D CAD-Modell selbst, das natürlich unter dem Aspekt der mechanischen Konstruktion und Fertigung erstellt wurde. Dieses Modell enthält fast immer nur eine Beschreibung der festen Bestandteile einer Konstruktion, während die für die Strömungsberechnung notwendigen mit Flüssigkeit oder Gas gefüllten Bereiche in der Regel nicht als eigenständige Solids modelliert vorliegen und somit auch nicht direkt als Basis für die Generierung eines Berechnungsgitters zur Verfügung stehen. Vielmehr ist es bisher stets notwendig, diesen Berechnungsraum zusätzlich zu modellieren, vielleicht abgeleitet aus dem CAD-Modell, aber in der Praxis oft sogar außerhalb von CAD mit einem separaten Preprozessor. In jedem Fall geht die Durchgängigkeit der Geometriedaten verloren, aber auch viele Vorteile moderner CAD-Software wie featurebasierte Modellgeschichte und Parametrisierung. Dabei wären gerade diese Funktionalitäten ideal geeignet, mit konsistenten Basisdaten ein auf die Anforderungen für die Strömungssimulation zugeschnittenes Geometriemodell zu schaffen. Die einzige akzeptable Lösung kann deshalb nur sein, für eine CFD-Berechnung die geometrischen Solids auch physikalisch als Festkörper zu belassen und den Strömungsraum ohne zusätzlichen Modellierungsaufwand physikalisch als solchen zu verwenden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die integrale Durchführung von Strömungsberechnungen in einem CAD-Umfeld.
Falle 2: CFD und Berechnungsnetz – eine unendliche Geschichte
Die meisten gegenwärtigen numerischen Methoden für CFD-Berechnungen basieren mathematisch auf Diskretisierungsverfahren, die ein Berechnungsgitter, vergleichbar mit FE-Methoden für die Strukturanalyse, erfordern. Moderne FEM-Pakete zeigen, daß es durchaus möglich ist, qualitativ hochwertige Rechennetze für Strukturberechnungen vollautomatisch zu erzeugen. Werden diese Netzgenerierungsverfahren aber nun einfach auf CFD-Modelle übertragen, offenbart sich die nächste „Falle“: diese Gitter sind wegen der unterschiedlichen physikalischen Verhältnisse und numerischen Anforderungen in aller Regel unbrauchbar. Für CFD-Berechnungen gilt in besonderem Maße: das Ziel ist nicht, irgendein Gitter automatisch zu erzeugen, sondern ein Gitter, das effizientes Berechnen und zuverlässige Ergebnisse ermöglicht. Jede Anforderung für sich allein zu realisieren wäre sicherlich nicht so schwierig, das Problem liegt in der Kombination. Deshalb offerieren spezielle CFD-Netzgeneratoren auch spezifische Funktionalitäten wie die Erzeugung hybrider Netze, Netzadaptierung usw. Aber diese laufen nicht automatisch, sondern sind nur durch Handarbeit und mit viel Erfahrung zu realisieren – mit verheerenden Auswirkungen auf die Durchlaufzeit einer Berechnung. Die praktische Folge ist, daß der Zeitaufwand für die Erzeugung eines qualitativ hochwertigen CFD-Netzes für industrierelevante, realistische Aufgabenstellungen zunehmend die bestimmende Größe für die Gesamtbearbeitungs-zeit einer Simulationsrechnung wird. Deshalb ist die automatisierte Generierung eines hochwertigen CFD-Rechengitters eine weitere Grundvoraussetzung für die integrale Nutzung von CFD-Technologie im Produktentwicklungsprozeß.
Falle 3: Modell- und Programmparameter – ein Buch mit sieben Siegeln
Charakteristisch für CFD-Programme ist die Fülle von Parametern, mit denen der Benutzer die angebotenen physikalischen Modelle und Lösungsalgorithmen „tunen“ kann, leider aber fast immer sogar „tunen“ muß, um überhaupt eine Lösung zu erhalten. Die „Falle“ liegt in der mangelnden Allgemeingültigkeit der zur Verfügung stehenden Modelle und Verfahren. Um die teilweise sehr komplexen strömungsmechanischen und thermodynamischen Vorgänge numerisch berechnen zu können, müssen in bestimmten Situationen bestimmte Modelle angewendet werden, in anderen Konstellationen erzielen möglicherweise andere Modelle oder auch andere Parametersätze bessere Ergebnisse. Ein populäres Beispiel dafür ist die rechnerische Erfassung von Turbulenzphänomenen in Strömungen. Dabei spielt der subjektive Faktor „Erfahrung“ eine entscheidende Rolle. Deshalb darf CFD-Software, die als integraler Bestandteil in der Produktentwicklung eingesetzt werden soll, die Aufmerksamkeit des Benutzers nicht von der eigentlichen Berechnungsaufgabe, also der Untersuchung eines technisch-physikalischen Problems, ablenken und muß die erforderliche „Erfahrung“ in Form einer intelligenten Benutzerführung und neuer, robuster Modellierungs- und Lösungsverfahren selbst beisteuern.
Falle 4: Schöne bunte Bilder – die Aussage
Ingenieure müssen zunehmend ihre Arbeitsergebnisse eindrucksvoll auch vor Laienpublikum präsentieren. Zudem ist moderne CFD-Software heute problemlos in der Lage, in kurzer Zeit eine riesige Menge an Ergebnisdaten zu produzieren. Die adäquate Aufbereitung dieser Daten als ein Resultat der Berechnungsaufgabe (im engen Sinne des Wortes!) bleibt dem Ingenieur überlassen. Unterstützt wird er dabei von grafischen Visualisierungswerkzeugen, die Ergebnisse von Strömungsberechnungen auf vielfältige Weise als Vektorpfeile, Isolinien oder Partikelpfade dreidimensional am Modell darstellen können und so helfen, ein ingenieurgemäßes Verständnis für die vorliegenden Strömungsverhältnisse zu entwickeln. Die „Falle“ besteht nun darin, daß die grafische Darstellung der Ergebnisse nur auf einer approximierten, separat gerenderten Netzoberfläche des Strömungsraumes erfolgt anstatt auf dem originalen Geometriemodell oder daß der Vergleich von Ergebnissen verschiedener Varianten oft nur über statische Ausdrucke auf Papier und nicht direkt am Bildschirm möglich ist. Des weiteren machen unflexible XY-Diagramm-Plots oder nur rudimentäre Unterstützung gängiger Bild- und Textdateiformate eine „Corporate Identity“-gerechte Erstellung von Berichten und Präsentationen zu einer zeitraubenden Schreibtischaufgabe. Eine erfolgreiche Einführung von CFD-Berechnungen in den Entwicklungsprozeß erfordert die rationelle Unterstützung dieser Auswertetätigkeiten durch automatisierte, flexible Reportfunktionen und die nahtlose Integration in eine vorhandene Office-Softwarelandschaft.
Eine Frage der Kosteneffizienz
Der Einsatz etablierter CFD-Software ist durch die genannten „Fallen“, hohen Einarbeitungs- und Bedienungsaufwand und nicht zuletzt durch steigende Software-Lizenzgebühren nur für bestimmte Anwendungen wirtschaftlich sinnvoll. Vor allem jedoch die Verfügbarkeit preiswerter PC-Rechenleistung und die Durchsetzung von leistungsfähiger, aber doch kostengünstiger 3D-CAD-Software auf PC haben CFD-Technologie auch für alle anderen Bereiche der Industrie technisch und ökonomisch interessant gemacht.
Ausführliche Informationen
Floworks
KEM 474
SolidTeam als Unternehmen
KEM 475
FloWorks für SolidWorks
Ob sich CFD als eine zu FEM-Berechnungen vergleichbare Standardtechnologie im Produktentwicklungsprozeß etablieren kann, wird davon abhängen, wie es gelingt, die genannten „Fallen“ zu entschärfen und auch im CFD-Softwarebereich ein zu CAD vergleichbares Preis-Leistungs-Verhältnis zu erreichen. Anläßlich der SolidWorks-Benutzerkonferenz in Palm Springs (USA) 1999 wurde erstmals ein neuer Schritt in diese Richtung in der Öffentlichkeit gezeigt. FloWorks, als Solution Partner-Produkt auf dem Application Programming Interface von SolidWorks aufbauend, ist eine vollständig in dieses parametrische CAD-System integrierte Anwendung zur Berechnung von strömungsmechanischen und thermodynamischen Vorgängen. Das internationale Entwicklerteam hat mit FloWorks erstmals die meisten der diskutierten Probleme aufgegriffen und Lösungswege aufgezeigt. Die Vorstellung von FloWorks ist ein Indika-tor dafür, daß numerische Strömungssimulationen im CAD-Umfeld als integraler Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses schon in naher Zukunft praktiziert werden können.
Systems Engineering im Fokus

Ingenieure bei der Teambesprechung

Mechanik, Elektrik und Software im Griff

Video-Tipp

Unterwegs zum Thema Metaverse auf der Hannover Messe...

Aktuelle Ausgabe
Titelbild KEM Konstruktion | Automation 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts
Webinare

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper
Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de