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Der Weg zur Sicherheit

Physikalische Technologieprinzipien und passende Auswahl von Geräteschutzschaltern
Der Weg zur Sicherheit

Geräteschutzschalter nach IEC 60934 finden Einsatz in den unterschiedlichsten Branchen und Produkten – dies reicht von Maschinen und Anlagen, über Datencenter, Fahrzeuge, Boote, Photovoltaikanlagen bis hin zu elektrischen Geräten für Haushalt, Hobby, Garten und vielen weiteren Anwendungen. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Welche physikalischen Technologieprinzipien liegen den Geräteschutzschaltern zugrunde und für welchen Bereich ist welcher Geräteschutzschalter am geeignetsten?

Exklusiv in KEM Der Autor: Peter Meckler, Leiter Innolab (Innovation & Technologie und Prüflabor), E-T-A Elektrotechnische Apparate GmbH, Altdorf

Zuerst zur Grundfunktion des Schutzschalters. Der Schutzschalter lässt sich grundsätzlich auf sechs Funktionen reduzieren. Diese sind bildlich dargestellt. Die Basisfunktion des Gerätes ist es, einen Energiefluss von einer Energiequelle zu einer Energiesenke (Last) zu führen. Dabei geht es darum, diesen Energiefluss abhängig von Steuersignalen ein- und ausschalten zu können. Bei diesen Steuersignalen handelt es sich um Funktionen, abgeleitet aus den Zuständen des jeweiligen Systems. Dies heißt in der theoretischen Betrachtung, es werden N-Signale von einer Erfassungseinheit aufgenommen. Als typisches Signal ist in diesem Fall der elektrische Strom als Energieträger zu sehen. Diese N-Signale verarbeitet die Auswertungseinheit zu M Entscheidungskriterien. Eine oder mehrere davon lassen sich dann zur Steuerung eines Aktuators verwenden. Der Aktuator kann sowohl ein mechanisches Stellelement als auch eine Treiberstufe für rein elektronische Lösungen sein. Am Ende steht schließlich das tatsächliche Schaltelement, entweder eine mechanische Kontaktstelle, ein Leistungshalbleiter oder eine Mischung aus beiden. Nun benötigt das Gerät noch eine Mensch-Maschine-Schnittstelle MMS (HMI Human Machine Interface), um den Energiefluss unabhängig vom Systemzustand unterbrechen oder zuschalten zu können. Soll das Gerät auch bei unterbrochenem Energiefluss ohne zusätzliche Energieversorgung betätigt oder programmiert werden, so bedarf es eines Energiespeichers. Hier sind sowohl Batterien als auch Kondensatoren denkbar.
Thermisches Prinzip TO – Überlastschutz
Die größte Verbreitung haben Geräteschutzschalter mit dem thermischen Auslöseprinzip. Das funktioniert auf Basis eines Thermo-Bimetalls. Dieses besteht aus zwei bis drei aufeinander gewalzten Metallstreifen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten, z. B. Fe und Ni-Fe. Dadurch wird bei Erwärmung eine Ausbiegung erzwungen. Thermische Geräte können einen guten Überlastschutz gewährleisten, sind aber im Kurzschlussfall weniger leistungsfähig.
Außer direkt vom Strom durchflossenen Bimetallstreifen, können auch gewölbte Bimetallscheiben zum Einsatz kommen. Diese schnappen bei einer definierten Temperatur um (Spitzname „Knackfrosch“).
„Dehndraht-Prinzip“
Darüber hinaus gibt es auch ein thermisches Prinzip, das den höheren Ausdehnungskoeffizienten spezieller Metalle zur Öffnung von Kontaktstücken ausnutzt, das sogenannte „Dehndraht-Prinzip“. Anwendungen finden sich vor allem in Bordnetzen und im Motorschutz, aber auch in vielen anderen Bereichen. Der TO ist der gängigste Vertreter der Geräteschutzschalter.
Magnetisches Prinzip MO – für schnelle Kontaktöffnung
Geräte mit magnetischem Auslöser erzeugen durch eine Spule ein Magnetfeld. Dies entsperrt innerhalb weniger Millisekunden ein mechanisches Schaltschloss. Die Kontakte öffnen damit sehr schnell. In der Kennlinie dieser Geräte gibt es keinen verzögerten Bereich. Falls es um die Beherrschung höherer Kurzschlussströme geht, bedarf es allerdings zusätzlicher Maßnahmen zur Löschung des Lichtbogens. Ideal sind solche flinken Kennlinien beispielsweise bei der Absicherung von Leistungshalbleitern.
Thermisch-Magnetisches Prinzip TM – Überlast- und Kurzschlussschutz
Die Verbindung des thermischen und des magnetischen Auslösesystems führt zu einem thermisch-magnetischen Gerät. Dabei wirken ein Thermo-Bimetall und ein Magnetsystem unabhängig voneinander auf die Auslösemechanik. Die beiden Auslöseelemente werden elektrisch in Reihe geschaltet. Das Ergebnis ist eine thermisch-magnetische Kennlinie mit dem typischen senkrechten Kennlinienverlauf im Bereich der magnetischen Auslösung.
Zusammen mit entsprechenden Lichtbogenlöscheinrichtungen lassen sich so auch bei sehr kompakter Bauweise hohe Kurzschlussschaltleistungen bis 5 kA bei 250V AC erreichen. Häufig genutzt wird diese Technologie unter anderem für den selektiven Schutz von Netzteilen und Leitungen im Anlagenbau.
Hydraulisch-Magnetisches Prinzip HM – für Kennlinien-Vielfalt
Ein magnetisch-hydraulisches Gerät
schließt einen magnetischen Kreis durch einen in seiner Bewegung gedämpften Eisenkern unter Einwirkung eines Magnetfeldes. Nach einer gewissen Zeit löst das Gerät aus. Diese Zeit lässt sich durch die Viskosität des Öles beeinflussen. Völlig unverzögert löst das Gerät dagegen bei hohen Strömen aus. Die Kennlinien hydraulisch-magnetischer Geräte sind ähnlich denen von thermisch-magnetischen Geräten. Durch Variation der Viskosität der Dämpfungsflüssigkeit und der Ampèrewindungszahl können die Kennlinien an verschiedene Anwendungen angepasst werden. Grundsätzlich steht der Einsatz dieser Geräte in der Kommunikations-, Steuer- und Regelungstechnik im Vordergrund.
Elektronisch-Hybrides Prinzip EH – die Zukunft der Schutzgeräte
Bislang dominieren die mechanischen Technologien bei den Schutzschaltern noch immer. Vor allem weil bei vergleichbarer Baugröße die Verlustleistung geringer ist. Darüber hinaus bieten sie galvanische Trennung und geben sich völlig unbeeindruckt bei elektromagnetischen Störungen. Doch gerade die Kombination aus Elektronik und Mechanik in einem Gerät bietet die Chance, die Vorteile beider Prinzipien wirkungsvoll zu nutzen.
Elektronische Komponenten schalten praktisch trägheitslos und besitzen eine gewisse „Intelligenz“ vor Ort. Eine selektive Abschaltung unter allen Betriebsbedingungen wird durch eine aktive Strombegrenzung sichergestellt. Dabei ist der Schutz von Schaltnetzteilen in der Anlagentechnik eine ganz typische und weit verbreitete Anwendung.
Für Bordnetze mit 12 V oder 24 V DC werden schon heute busgesteuerte, rein elektronische Systeme eingesetzt, die den Verkabelungsaufwand stark reduzieren. Der aktuelle Zustand der gesamten Bordelektrik wird via Bildschirm visualisiert und über die Touch-Funktion gesteuert. Bei Ausfall der Leistungselektronik übernimmt ein parallel geschaltetes TO-Gerät den Schutz der Anlage.
Auch zum Schalten hoher Gleichspannungen in Elektrofahrzeugen und Photovoltaikanlagen lassen sich durch die rasante technologische Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Leistungshalbleiter mit dem EH-Prinzip sichere Lösungen in kompakter Bauweise realisieren.
Wenn wir nach vorne sehen, und komplexe Systeme mit stark nichtlinearen Komponenten betrachten, so stehen
  • Signalverarbeitung in Echtzeit,
  • sehr schnelle Reaktionszeiten der Schaltgeräte
  • vorausschauende Schätzung des Systemzustandes
im Vordergrund innovativer Schutzgeräte. Die Zukunft des Geräteschutzes liegt also mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem elektronisch-hybriden Prinzip. I

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