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Bonanza lebt

Kfz-Test bericht Porsche Cayenne S: Asphalt- Cowboy mit Dampf
Bonanza lebt

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Ben Cartwright, der Rancher aus der Westernserie Bonanza, sind zu beneiden. Denn sie haben jeweils drei prächtig geratene Söhne im eigenen Haus.

Der Testwagenfahrer und Autor Dipl.-Ing.Jürgen Goroncy ist freier Mitarbeiter der KEM

Sie sind sich verblüffenderweise sogar ähnlich. Nehmen wir den Porsche 911 und Adam Cart-wright: Jeweils die Ältesten, beide mit Manieren wie ein Gentleman und beide sehr sportlich. Dann der Porsche Boxster und Little Joe: Zwei jugendliche Charmeure, die bei Frauen ankommen. Und nicht zuletzt der Porsche Cayenne und Hoss. Schon ihr Äußeres zeigt, dass sie eine etwas rustikalere Art bevorzugen und kraftvoll zupacken können.
Stramme Waden
Mit dem Cayenne verlässt Porsche das angestammte Sportwagensegment und erschließt sich bei den Sports Utility Vehicles (SUV), also leistungsstarken Pseudo-Geländewagen mit guten Straßeneigenschaften, neues Terrain. Bis zu 25 000 Einheiten des im Leipzig gefertigten Cayenne will man jährlich verkaufen und so den gesamten Absatz um 50 Prozent anheben.
Zupacken heißt beim neuesten Porsche-Spross Traktion und Beschleunigung. Ersteres geschieht mit dem Fahrwerk, das aus einer Doppel-Querlenkerachse vorne und einer Mehrlenker-Hinterachse sowie einer hydraulisch unterstützten Zahnstangenlenkung besteht. Gefedert wird entweder konventionell mit Stahlfedern (Cayenne und Cayenne S) oder mit Luftfedern von Conti (im Cayenne Turbo).
Um den Belastungen im Gelände gewachsen zu sein, sind die Radführungselemente – wie etwa die Radträger von Georg Fischer – konsequent aus Stahl gefertigt. Das Fahrverhalten des KEM-Testwagens war auf der Straße so tadellos und gutmütig wie der Charakter von Hoss, selbst der höhere Schwerpunkt und das hohe Gewicht fielen nicht unangenehm auf.
Ausritte ins Gelände hat die KEM-Redaktion unterlassen. Nicht, weil sich der Cayenne dazu nicht eignen würde. Mit Details wie Vierradantrieb mit variabler Verteilung der Antriebsleistung, Sechsgang-Automatikgetriebe mit Reduktionsstufe, Traktionsmanagement sowie einer Bodenfreiheit von mindestens 217 und einer Wattiefe von 555 mm könnte er Hoss Cartwright unzweifelhaft beim Ritt durch den Wilden Westen begleiten. Porsche spricht sogar vom besten Offroad-Verhalten aller SUV. Umfragen haben jedoch ergeben, dass weit mehr als 90 Prozent aller SUV-Besitzer ohnehin nie die Straße verlassen und ihr Fahrzeug ernsthaft im Gelände fordern.
Dampf in den Fäusten
Mit dem eigens für den Cayenne entwickelten V8-Motor ist man in beiden Versionen mehr als ausreichend motorisiert. Im Cayenne S entwickelt das Aggregat ohne Turboaufladung eine Leistung von 250 kW, im Cayenne Turbo sind es sogar 331 kW. Obwohl die KEM-Redaktion „nur“ den schwächeren Cayenne S fuhr, wurde man beim Beschleunigen deutlich in die Sitze gedrückt. Somit lässt sich erahnen, dass der Turbomotor ähnlich viel Dampf haben dürfte wie Hoss Cartwright in seinen Fäusten. Seit November 2003 ist der Cayenne auch mit einem von VW zugekauften VR6-Ottomotor mit 184 kW Leistung erhältlich.
Der V8-Motorblock wird in Neckarsulm von der Kolbenschmidt Aluminium Technologie AG im Niederduckverfahren aus Alusil gegossen und montagefertig an Porsche geliefert. Alusil hat einen übereutektischen Siliziumanteil von 16 bis 18 Prozent, so dass beim Erstarren primäres Silizium ausgeschieden wird. In einem speziellen Honverfahren wird das Silizium in Form von besonders harten Partikeln freigelegt und bildet so die Verschleißfestigkeit der Laufflächen für Kolben und Kolbenringe.
Das V8-Aggregat hat einen Bankwinkel von 90 Grad und vier Ventile pro Zylinder. Sie werden variabel – wie bei den Boxermotoren – von den Einlass- und Auslass-Nockenwellen gesteuert, die ihrerseits durch das Vario-Cam-Prinzip um bis zu 25 Grad Kurbelwinkel verstellbar sind. Auch die Motorkühlung ist weitgehend den Boxeraggregaten nach empfunden. Beispielsweise wird aus den Zylinderköpfen die Wärme per Querstromkühlung gleichmäßig abgeführt. Das restliche Kühlmittel umströmt die Zylinderbohrungen in Längsrichtung sowie die zylindernah angeordneten beiden Turbolader.
Auch der Cayenne-Eigner sollte einen kühlen Kopf haben – beim Thema Kraftstoffverbrauch. Den Tankwart als Freund erhält er gratis dazu. Denn schon der Saugmotor konsumierte im KEM-Test mehr als 17 l Super-Plus-Kraftstoff pro 100 km. Beim Turbomotor dürften es noch einige Schlückchen mehr sein. Nur mal so spekuliert: Mit einem Ford Mondeo TDCI (siehe KEM 10/2002) dürfte man bei der Verkehrslage auf deutschen Autobahnen nicht viel langsamer von Basel nach Flensburg kommen als mit einem Porsche Cayenne. Denn während der Ford diese Distanz nonstop bewältigt, benötigt der Cayenne vermutlich zwei langwierige Tankstopps.
Liquide Kundschaft
Nehmerqualitäten sollte der Cayenne-Interessent ebenfalls mitbringen. Denn beim Blick in die Preisliste dürfte ihn der Schlag treffen wie eine rechte Gerade von Hoss Cartwright. Den ohnehin großzügigen Grundpreis von etwa 60 000 E für den Cayenne S übertrifft die Turboversion mit etwa 100 000 Euro um Längen! 40 000 E mehr für Turboaufladung, 81 kW mehr Leistung, Luftfederung und einige andere Ausstattungsdetails! Das ist mutig, für dieses Geld bekommt man fast den Cayenne mit VR6-Motor (knapp 48 000 E). Aber anscheinend verfügt die Porsche-Kundschaft auch über Geberqualitäten, denn etwa die Hälfte orderte bisher die Turboversion.
Für diese stolzen Preise bietet der Cayenne immerhin einen hohen Nutzwert. Der Kofferraum hat einen ebenen Ladeboden samt niedriger Ladekante und fasst mindestens 540 Liter Gepäck. Wer die variable Fondsitzanlage von Johnson Controls komplett umklappt, hat sogar bis zu 1 770 Liter Stauraum zur Verfügung. Alle fünf Passagiere sitzen dank der hohen Karosserie sehr kommod auf dem gut geformten Gestühl.
Dass man in einem Porsche sitzt, ist dem Innenraumdesign sofort anzusehen. Die Armaturentafel ist übersichtlich gestaltet und bietet von der Vier-Zonen-Klimaautomatik über einen Bordcomputer inklusive Navigation und Farbdisplay bis hin zur Audioanlage und zweistufigen Airbags jede Menge Komfort und Sicherheit. Außerdem verrät das nach alter Väter Sitte links vom Lenkrad angebrachte Zündschloss unzweifelhaft die Herkunft.
Weitere Informationen
Cayenne
KEM 544
Alusil Motorblock
KEM 545
Luftfedern
KEM 546
Stahl-Fahrwerksteile
KEM 547
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