Startseite » Produktentwicklung »

Anforderungen definieren und erfüllen

Requirements Engineering
Anforderungen definieren und erfüllen

Eine systematische und gründliche Anforderungsanalyse (engl. Requirements Engineering) ist der entscheidende Faktor, um heutzutage bei der Produktentwicklung erfolgreich zu sein. Dabei werden die Anforderungen an die zu entwickelnde Software oder andere Produkte definiert, sodass schon während des Entwicklungsprozesses sichergestellt ist, dass die Erwartungen des Auftraggebers erfüllt werden können.

Das Interview führte Carina Freutsmiedl, Redakteurin, München Lesen Sie einen ausführlichen Beitrag zum Thema Requirements Engineering in der Develop3 systems engineering 03/2015

In seinen Rollen als Teamleiter für Requirements Engineering am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE, geschäftsführender Gesellschafter der Osseno Software GmbH und Lehrbeauftragter der Hochschule Mannheim, gehört Dr. Sebastian Adam zu den Experten auf diesem Gebiet. Im Interview erklärt er, welche Vorteile die Anwendung von Requirements Engineering mit sich bringt, welche Schwierigkeiten bei der Etablierung im Unternehmen auftauchen können und wie sie sich vermeiden lassen.
KEM: Herr Dr. Adam, welche Vorteile bietet das Arbeiten auf der Basis einer Anforderungsanalyse?
Dr. Adam: Zahlreiche Projekte in der Software- oder Produktentwicklung scheitern schon vor der Fertigstellung oder überschreiten den geplanten Kosten- und Zeitrahmen. In mehr als der Hälfte dieser Fälle sind missverständliche oder unvollständige Anforderungen die Ursache. Häufig haben die Beteiligten keine Zeit für eine saubere Anforderungsanalyse oder gehen davon aus, dass die Ziele des Projekts von vornherein jedem Projektmitarbeiter klar sind.
Doch schon bei kleinen Projekten stellen wir fest, dass die Erwartungen der Beteiligten oft weit auseinander liegen. Mit einer systematischen Anforderungsanalyse kann man diese Probleme signifikant reduzieren. 2013 haben wir am Fraunhofer IESE in einer Studie herausgefunden, dass rund zwei Drittel aller Firmen, die Requirements Engineering einsetzen, eine deutlich verbesserte Qualität in ihren Produkten und eine deutlich verbesserte Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten erreichen konnten.
KEM: Wieso arbeiten trotzdem immer noch viele Unternehmen ohne Requirements Engineering?
Dr. Adam: In Softwarefirmen, die „agil arbeiten“, also spontan auf Veränderungen reagieren möchten, wird Requirements Engineering oft nicht als notwendig erachtet.
Aber agiles Arbeiten schließt eine Anforderungsanalyse nicht aus. Und auch wenn es einer Firma seit vielen Jahren wirtschaftlich gut geht, heißt das nicht immer, dass kein weiteres Optimierungspotenzial vorhanden ist. Viele Leute haben auch einfach Angst vor Veränderungen und es ist natürlich nicht leicht, Mitarbeitern 30 Jahre nach ihrer Schulzeit beizubringen, dass Anforderungsdokumente anders geschrieben werden müssen als andere Dokumente. Erschwerend kommt hinzu, dass – und das zeigen zahlreiche Studien – Requirements Engineering eine Zusatzaufgabe ist und die Leute dazu selten die notwendige Unterstützung oder Freistellung bekommen.
KEM: Welche Ratschläge können Sie Verantwortlichen im Unternehmen geben, die das Requirements Engineering einsetzen wollen?
Dr. Adam: Das Wichtigste ist: Suchen Sie sich Experten, mit denen Sie ein Vorgehen erarbeiten, das zu 100% zu Ihrem Unternehmen passt! Es macht keinen Sinn, Requirements Engineering aus dem Lehrbuch direkt in die Unternehmenspraxis zu überführen. Denn die Vorgehensweisen bei der Anforderungsanalyse müssen auf die Kultur und Arbeitsweise der Organisation angepasst werden. Aber auch die Organisation muss sich verändern, um aus Requirements Engineering Vorteile ziehen zu können. Entsprechend – und das ist der zweite Ratschlag – ist es notwendig, dass die Mitarbeiter dafür motiviert werden und ihnen nicht einfach nur etwas vorgegeben wird. Denn für den Einzelnen bedeutet Requirements Engineering zunächst einen Mehraufwand. Und drittens erleben wir es oft, dass Vorlagen für Anforderungsdokumente definiert und Werkzeuge angeschafft werden, ohne dass den Mitarbeitern eine methodische Anleitung an die Hand gegeben wird.
Die Verantwortlichen sollten daher wissen, wie Requirements Engineering erfolgreich eingesetzt werden kann. Hier sind Schulungen essentiell, denn ohne gut ausgebildete Mitarbeiter kann eine fundierte Anforderungsanalyse nicht gelingen. Das Fraunhofer IESE bietet seit vielen Jahren Fortbildungsmöglichkeiten zu diesem Thema an, derzeit beispielsweise den Grundlagenkurs „Certified Professional for Requirements Engineering“, der unter dem Dach der Fraunhofer Academy, der Weiterbildungseinrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft, durchgeführt wird. Wichtiger Bestandteil dieser Schulungen ist vor allem auch die kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Methoden, um zu erkennen, welche Vorgehensweise für das eigene Unternehmen die richtige ist.
KEM: Wie sollte man bei der Etablierung von Requirements Engineering im Unternehmen konkret vorgehen?
Dr. Adam: Damit man mit der Etablierung von Requirements Engineering nicht auf dem Holzweg landet, sollte man gewisse Dinge beachten.
Erstens muss – wie bereits erwähnt – das Vorgehen so auf das Unternehmen angepasst werden, dass es für die Beteiligten als Unterstützung und nicht als Bürde empfunden wird. Zweitens sollen dementsprechend Techniken und Methoden auch schrittweise in das bisherige Vorgehen integrieren. Drittens ist es wichtig, dass man den Beteiligten stets zuhört, ihr Feedback sowie auch ihre Ideen und Erwartungen vor und während der Einführungsphase mit aufnimmt. Viertens sollte man das Requirements Engineering zunächst in Pilotprojekten testen. Der fünfte Punkt ist für mich der wichtigste Teil: Es sollte eine Person im Unternehmen geben, die das Thema mit Herzblut antreibt. I

Zur Person
Dr. Sebastian Adam arbeitet als Teamleiter, Wissenschaftler und Berater für Requirements Engineering am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern. Seit mehr als neun Jahren berät und begleitet er in dieser Rolle Firmen unterschiedlicher Größen und Branchen bei der Einführung und Anwendung von Requirements Engineering. Neben seiner Arbeit bei Fraunhofer ist Dr. Adam als einer von drei Geschäftsführenden Gesellschaftern der OSSENO Software GmbH tätig und nimmt ferner Lehraufträge zum Thema »Requirements Engineering« an der Hochschule Mannheim wahr.

Weiterbildung im Bereich Requirements Engineering
Unter dem Dach der Fraunhofer Academy, der Weiterbildungseinrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft, bietet das Fraunhofer IESE den Kurs »Certified Professional for Requirements Engineering« an. Die dreitägige Schulung vermittelt einen Überblick über die Bereiche System & Systemkontext, Anforderungsermittlung und Dokumentation, Modellierung, Anforderungsprüfung sowie Anforderungsmanagement. Nächster Termin: 3. – 5. November 2015. Weitere Informationen auf www.academy.fraunhofer.de/de/information_kommunikation

Info & Kontakt

Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE
Dr. Sebastian Adam, Wissenschaftler und Berater
Tel.: 0631 6800-2176
Hier finden Sie die Studie
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Systems Engineering im Fokus

Ingenieure bei der Teambesprechung

Mechanik, Elektrik und Software im Griff

Video-Tipp

Unterwegs zum Thema Metaverse auf der Hannover Messe...

Aktuelle Ausgabe
Titelbild KEM Konstruktion | Automation 3
Ausgabe
3.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts
Webinare

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper
Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de