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ABB Industrie AG: Beispielhafte Entwicklung eines Mittelspannungsantriebes

Elektromotoren
ABB Industrie AG: Beispielhafte Entwicklung eines Mittelspannungsantriebes

Nur 3% aller weltweit eingesetzten Mittelspannungsmotoren sind geregelt, obwohl eine Drehzahlregelung Energieeinsparungen von bis zu 30% ermöglichen kann. Das hier vorgestellte Unternehmen hat einen AC-Antrieb für diesen Bereich entwickelt, der stufenlos regulierbar ist: Der ACS1000 ist ein Beispiel dafür, daß die Entwicklung eines Produkts nicht nur eine Frage der Technologie ist. Es braucht auch ständige Innovation in der Unternehmenskultur.

 

Der Autor Dipl.-Ing. Beat Hügli ist Mitarbeiter der ABB Industrie AG im schweizerischen Dättwil

Seit Januar 1998 steht er in der mexikanischen Industriestadt Monterrey in einem Zementwerk im Einsatz. Als weltweit erster installierter ACS1000 der ABB Industrie AG aus dem schweizerischen Turgi treibt der stufenlos regulierbare AC-Antrieb für den Mittelspannungsbereich den Motor eines Ventilators an.
Er paßt dessen Leistung stufenlos exakt den jeweiligen Erfordernissen an. Das mexikanische Werk verbraucht seit der Installation des ACS1000 1% weniger Strom auf der gesamten Anlage – eine namhafte Einsparung angesichts der enormen Energiemengen, welche in der Zementherstellung benötigt werden.
Neben der Energieeinsparung bietet der ACS 1000 weitere Vorteile wie hohe Verfügbarkeit oder, dank dem direkten Motorregelverfahren DTC (Direct Torque Control), eine sehr genaue und schnelle Regelung. Zudem – und das ist vor allem beim Einsatz im Offshore-Bereich entscheidend – benötigt der ACS 1000 sehr viel weniger Platz als bisherige AC-Antriebe dieser Leistungsgröße.
In 22 Monaten zur Marktreife
Der ACS 1000 von Monterrey ist heute in guter Gesellschaft. Weit über 100 Stück sind bisher verkauft worden. Das Erfolgsrezept? Man nehme 200 Personenjahre bestehende Entwicklungsarbeit, wie etwa für die DTC-Technologie, mixe sie neu, würze sie mit einer bahnbrechenden Entwicklung wie dem IGCT (Integrated Gate Commutated Thyristor) und schmecke das Ganze mit einem sehr ambitionierten Zeitplan ab, bei dem die meisten Schritte, die normalerweise hintereinander ablaufen, gleichzeitig vorangetrieben werden. So ging die Entwicklung der nötigen Technologie, nämlich des neuen Leistungshalbleiters, einher mit der Konzeptphase und der Einbettung des Leistungshalbleiters in die Schaltung des Frequenzumrichters. Schon zur gleichen Zeit liefen der Bau der Produktionshalle und die Entwicklung eines Produktionskonzeptes, eines Marketingkonzeptes und neuer Verkaufsinstrumente. In nur 22 Monaten schaffte es der ACS 1000 von der Idee zur Markt-reife.
Nicht nur eine rein technologische Meisterleistung, denn der ACS 1000 ist in erster Linie eine unternehmenskulturelle Innovation und erst in zweiter Instanz eine technologische. Bedingt durch zahlreiche Kundenwünsche und zunehmenden Wettbewerb wurde es 1995 dringend erforderlich, ein völlig neues Konzept zu entwickeln, welches am Weltmarkt einen neuen Meilenstein in der Antriebstechnik setzt. Die ABB Industrie AG suchte nach neuen Wegen. Ein vierköpfiges schweizerisch-finnisches Studienteam ging sechs Monate in Klausur. Dessen Auftrag: einen neuen AC-Antrieb mit dem Potential einer Durchbruch-Innovation zu entwerfen. Mit dem neuentwickelten Integrated Gate Commutated Thyristor (IGCT) kam die Lösung. Ein Team von 65 Ingenieuren der ABB Industrie AG, der ABB Semiconductors AG, bei welcher der IGCT entwickelt wurde, und das Schweizer ABB-Forschungszentrum spannten zusammen, um die IGCT-Technologie für den Mittelspannungsantrieb nutzbar zu machen.
Test auf Herz und Nieren
Rund 50 Millionen Mark Investitionsspritze flossen in die Entwicklung des ACS 1000, einschließlich einer neuen Montage- und Prüfeinrichtung in Turgi, Schweiz. Diese Einrichtung ermöglicht, die Montagezeit auf 40 Stunden zu senken. Jeder AC-Antrieb wird in der Fabrik unter verschiedenen Lastbedingungen getestet. So kann der Kunde sicher sein, daß seine Neuerwerbung für eine reibungslose Einbindung in die vorhandenen Betriebsanlagen bestens vorbereitet ist.
F+E: 8% des Umsatzes
Nicht nur die Technologie wurde beim ACS 1000 weiterentwickelt, sondern auch die Art, wie man an ein solches Projekt herangeht. Der AC-Antrieb ist ein Beispiel für einen Kulturwandel, der ein Projekt auch innerhalb kurzer Zeit auf die Erfolgsroute zurückführt. In den einzelnen Ländergesellschaften profitieren die Ingenieure von der engen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Segmenten. In den Forschungszentren der ABB sind Dutzende verschiedener Nationalitäten vertreten, in Dättwil, Schweiz, 22 auf 260 Mitarbeitende, in Heidelberg 8 auf 190. Der Konzern schafft für technologische Neuerungen die nötigen Rahmenbedingungen. So investiert er weltweit jährlich fast 3 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung – das sind rund 8% seines Umsatzes – und unterhält sieben interdisziplinäre Forschungszentren rund um den Erdball. Der Lohn für so viel Engagement: 70% aller Bestellungen aus dem Segment Automation beispielsweise beziehen sich auf Produkte und Systeme, deren Entwicklung weniger als fünf Jahre zurückliegt.
Dabei stellt der Markt hohe Anforderungen an die Entwickler. Produkte und Technologien von ABB müssen mit einer Vielzahl von Standards und Regulierungen auf Kundenseite verbunden werden. Den unternehmerischen Spagat, die Kundenbedürfnisse zu erfüllen und gleichzeitig resultatorientierte Forschung und Entwicklung zu betreiben, schafft ABB mit Standardisierung und Anpassung der Produkteplattformen. Der Erfolg des ACS 1000 zeigt es: Die Verbindung beider Interessen funktioniert.
Stufenlos regelbarer Antrieb ACS 1000
Der ACS 1000 ist ein stufenlos regulierbarer AC-Antrieb für den Mittelspannungsbereich. Er ist ausgelegt für die Drehzahl- und Drehmomentregelung von Motoren mit einer Nennleistung zwischen 315 und 5000 KW und Spannungen von 2,3, 3,3 und 4,16 KV und zeichnet sich aus durch eine kompakte Bauweise, die durch den Einsatz des IGCT erzielt wurde. Ein neuartiges Ausgangsspannungsfilter sorgt für fast perfekt sinusförmige Ausgangsspannung. Damit ist der ACS 1000 mit Standardmotoren kombinierbar und eignet sich besonders für Nachrüstungen alter Anlagen. Die geringe Komponentenzahl garantiert eine hohe Verfügbarkeit. Der AC-Antrieb ist einfach und damit schnell und kostengünstig in Betrieb zu setzen und zu warten. Er wird vor allem in folgenden Bereichen eingesetzt: Zement-, Erdöl- oder Gasindustrie, Wasser- und Abwasserwirtschaft, Bergbau, chemische Industrie und Kraftwerke.
Direkte Drehmoment-regelung DTC
Die direkte Drehmomentregelung (Direct Torque Control, DTC) ist ein neuartiges Motorsteuerungsverfahren für Drehstromantriebe, welches auch ohne Drehzahlrückführung von der Motorwelle eine genaue Regelung sowohl der Motordrehzahl als auch des Mo-tordrehmoments ermöglicht. Mit der DTC-Technik kann selbst bei Drehzahl Null das Vollastdrehmoment bereitgestellt werden.
Der AC-Antrieb kann zu jeder Zeit die optimale Schaltkombination bestimmen und so auch auf dynamische Veränderungen wie Lastgröße oder Netzausfälle sofort reagieren.
Integrated Gate Commutated Thyristor IGCT
Der Integrated Gate Commutated Thyristor IGCT vereinigt einen vielseitigen, neuen Leistungshalbleiter, den GCT, und den Ansteuerkreis in einem. Stromrichter mit IGCT benötigen weniger Komponenten als konventionelle Modelle. Der IGCT hat außerdem einen besonders hohen Wirkungsgrad; damit ist auch ein geringerer Kühlaufwand erforderlich. Er leitet wie ein Thyristor, ohne dessen Nachteile zu übernehmen. Neben den niedrigen Vorfertigungs- und Produktionskosten bieten die IGCT extrem schnelle Schalteigenschaften und eine niedrige Verlustleistung.
Mit IGCT können die Entwickler von Antriebssystemen die Schaltfrequenz gemäß den jeweiligen Anwendungsbedingungen wählen.
Die IGCT-Technologie eignet sich bei vollem Nennstrom für einen Betrieb bis 1000 Hz; sie ist damit viermal schneller als die herkömmliche Gerätetechnik.
Unternehmens-profil ABB
n Name: Asea Brown Boveri Aktiengesellschaft
n Anschrift:Gottlieb-Daimler-Straße 8, 68165 Mannheim, Postfach 10 01 64, 68001 Mannheim, Telefon: (0621)- 4381-432, Telefax: (0621)- 4381-367
n Auftragseingang 1998: 7,4 Mrd. DM (1997: 8,6 Mrd. DM)
n Umsatz 1998: 8,1 Mrd. DM (1997: 8,1 Mrd. DM)
n Mitarbeiter (31.12.): 23.774
n Investitionen F+E 1998: 664 Mio. DM; 8 % des Umsatzes
n Auslandsanteil am Umsatz: 39 %
n Grundkapital: 327,6 Mio. DM
n Eigentümer: Mehrheitsaktionär ist die ABB Asea Brown Boveri Aktiengesellschaft, Zürich, mit einem Anteil von rund 98 %. Das übrige Aktienkapital befindet sich in Streubesitz.
n Dividende/je Stückaktie für 1998: 13 DM (1997: 6 DM)
Ausführliche Informationen
Technology Report 1998
KEM 480
Mittelspannungs-antrieb ACS 1000
KEM 481
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