Inhaltsverzeichnis
1. Additive Fertigung in der chemischen Industrie
2. Fehlende Daten und Statistiken erschweren die Zertifizierung
3. Die Qualifizierung der Metall-3D-Drucker
4. KSB durchläuft erfolgreich das Zertifizierungsprogramm
5. Vom Pulver bis zum fertigen Bauteil – die gesamte Prozesskette im Blick
Auch Druckgeräte und Baugruppen aus additiven Fertigungsmaschinen müssen innerhalb der EU den Anforderungen der Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU (DGRL) entsprechen. Die TÜV Süd Service GmbH, München, hat ein neues Zertifizierungsprogramm für die additive Fertigung entwickelt, das neben den Sicherheitsanforderungen der DGRL weitere Normen und Richtlinien umfasst, wie beispielsweise die EN 13445–4 „Unbefeuerte Druckbehälter – Teil 4: Herstellung“. Geprüft werden außerdem unter anderem Basisqualifikationen wie:
- ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001
- die Qualifikation des Bauraums
- die angewendeten Verfahren
- die Eignung der Maschinen
- die Eignung des Personals
Additive Fertigung in der chemischen Industrie
Mit Hilfe der additiven Fertigung können Halbzeuge, Komponenten und Ersatzteile kurzfristig und flexibel selbst vor Ort hergestellt werden. Allerdings stehen die Hersteller vor der Herausforderung, die Konformität mit den gesetzlichen Vorgaben und Regelwerken nachzuweisen. Dies gilt insbesondere für additiv gefertigte Druckgeräte, Pumpen und Armaturen für die in Sicherheitsfragen streng regulierte chemische Industrie. Die geltenden Regelwerke basieren bisher jedoch auf konventionellen Fertigungsverfahren und sind nicht ohne weiteres auf die additive Fertigung anwendbar.
TÜV Süd entwickelt Zertifizierungsprogramm für Metall-3D-Druck
Fehlende Daten und Statistiken erschweren die Zertifizierung
Additiv gefertigte Bauteile werden bisher meist nur optisch geprüft, bei drucktragenden Elementen ist das aus Sicherheitsgründen nicht ausreichend. Doch statistisch belastbare Daten zu den „inneren Werten“ liegen oft nicht vor. So fehlen unter anderem:
- mechanisch-technologische Kennwerte der gefertigten Bauteile
- Daten zur Abweichung bedingt durch die Lage im Bauraum
- Statistiken zur Konstanz des Prozesses
Fehlende Grenzwerte erschweren die Qualifizierung des Ausgangspulvers und der Bauteile zusätzlich. Dies gilt sowohl für die Morphologie und die Größenverteilung der Partikel im Pulver als auch für die Poren und Hohlräume in den hergestellten Bauteilen. Um zu beurteilen, welche Abweichungen noch tolerierbar sind, greifen die Prüfer daher auf Erfahrungswerte aus der Praxis zurück.
Ein weiteres Problem: In vielen Fällen stehen keine Prüfnormale zur Verfügung. Dies stellt die beauftragten Labore oft vor Herausforderungen, denn Prüfnormale sind notwendig, um Messgeräte zu kalibrieren. Daher müssen unter Umständen eigene Referenzproben aufgebaut und geeignete Messverfahren entwickelt werden, um entsprechende Aussagen treffen zu können. Das Ziel ist, dabei das richtige Maß an Genauigkeit zu finden, mit dem Qualitätseinbußen ausgeschlossen werden können und zugleich keine unnötig hohen Prüf- und Kalibrierungskosten entstehen.
Die Qualifizierung der Metall-3D-Drucker
Eine der herausforderndsten Aufgaben der Zertifizierung besteht in der Beurteilung der verschiedenen additiven Fertigungsmaschinen (3D-Drucker). Denn jede Maschine hat ihre individuellen Vorzüge und Einschränkungen. Dies gilt sowohl für Geräte vom gleichen als auch von verschiedenen Herstellern. Daher müssen in einer detaillierten Auswirkungsanalyse alle relevanten Risiken für jeden einzelnen Maschinentyp ermittelt werden. Ein wesentlicher Teil der Untersuchung ist die Qualifizierung des Bauraums. Analysiert werden unter anderem:
- die verschiedenen Pulveraufzugsmethoden
- die Strömungsverläufe des Prozessgases
- die Lasersysteme der verschieden Maschinentypen
Die Ergebnisse fließen in eine statistische Auswertung ein und helfen dabei, eine Qualitätssicherung aufzubauen, die den Besonderheiten der eingesetzten Maschinen und Prozesse Rechnung trägt.
KSB durchläuft erfolgreich das Zertifizierungsprogramm
TÜV Süd Industrie Service hat das neue Zertifizierungsprogramm erfolgreich bei der KSB SE & Co. KGaA am Standort Pegnitz umgesetzt. Das Unternehmen produziert im Pulverbettverfahren unter anderem Pumpen und Halbzeuge für die chemische Industrie.
Derzeit setzt KSB drei Maschinen zweier Hersteller ein: die M2 Classic und die M2 Dual Laser stammen vom Hersteller Concept Laser, die M400–4 von EOS. Diese Systeme sind für die additive Fertigung drucktragender Bauteile mit dem metallischen Werkstoff Noribeam 316L zertifiziert. Noribeam 316L ist ein nichtrostender austenitischer Edelstahl. Aufgrund seines hohen Molybdän-Gehaltes besitzt er eine sehr gute Beständigkeit gegen nichtoxidierende Säuren und halogenhaltige Medien. Aufgrund des tiefen Kohlenstoffgehaltes ist seine Beständigkeit gegen interkristalline Korrosion verbessert. KSB hat als Grundlage und Referenz ein Werkstoffdatenblatt erstellt, das die verifizierten Kenndaten aus mehreren hundert Zug- und Kerbschlagbiegeproben des Werkstoffes enthält.
KSB analysiert seine Produkte in einem eigenen Prüflabor und hat umfangreiche Statistiken anhand der Prüfproben erstellt. Sowohl die mechanisch-technologischen Kennwerte der Bauteile als auch die chemische Zusammensetzung des Metallpulvers und die Kennwerte der Prüfkörper werden erfasst und gespeichert. Zusätzlich werden zurzeit im eigenen Labor weitere für das Unternehmen relevante Werkstoffe untersucht. Die additiv gefertigten Bauteile der KSB, darunter Standardlaufräder für Chemiepumpen, wurden sowohl auf den Prüfständen des Unternehmens als auch vor Ort beim Kunden erfolgreich getestet.
Vom Pulver bis zum fertigen Bauteil – die gesamte Prozesskette im Blick
Für eine umfassende Qualitätssicherung muss die gesamte Prozesskette betrachtet werden. Wichtig ist, dass stets alle für den Fertigungsprozess relevanten Parameter erfasst werden – von der Analyse des Pulvers bis zur Prüfung des hergestellten Bauteils. Hersteller sollten dabei die Anforderung an die Ausgangsstoffe und die gefertigten Produkte sowie die zulässigen Abweichungen klar definieren und die Einhaltung fortlaufend prüfen.
Die unabhängige Prüfung und Zertifizierung bescheinigt Herstellern und Kunden, dass die additiv gefertigten Druckgeräte und Halbzeuge die Anforderungen der DGRL und anderer relevanter Normen erfüllen. Dies belegt, dass sie ein Sicherheitsniveau erreichen, das mit herkömmlich gefertigten Produkten vergleichbar ist.
Kontakt:
TÜV Süd Industrie Service GmbH
Westendstrasse 199
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Tel: +49 89 5791–2827
https://www.tuvsud.com/de-de
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Tel. +49 6233 86–0
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