Vor 30 Jahren präsentierte Igus sein erstes Gleitlager aus dem Polymerwerkstoff Iglidur. KEM fragt nach bei Gerhard Baus, Prokurist Lagertechnik und einer der Väter des Materials, wie sich daraus erfolgreich ein umfassendes Programm an tribo-optimierten Gleit-, Gelenk- und Lineargleitlagern aus Kunststoff entwickelt hat.
Das Interview führte Dr.-Ing. Ralf Beck, Redakteur der KEM
KEM: Wie war 1983 die Resonanz im Markt auf ein Kunststoffgleitlager?
Baus: Vor 30 Jahren war man weit entfernt zu sagen, das sei jetzt die Lösung, auf die alle gewartet hätten. Es hat lange gedauert, Kunststoff im technischen Bereich hoffähig zu machen, insbesondere in der Lagertechnik. Zwar lobten viele damals die Idee und auch die sich bietenden Chancen, die wir mit diesem Produkt aufzeigten. Wohl aber scheute man die eigenen Risiken. Um diese Barriere zu überwinden, haben wir viel Überzeugungsarbeit geleistet. Wenn heute noch Skepsis vorherrscht, wird diese allenfalls von Konstrukteuren geäußert, die Kunststoff grundsätzlich ablehnen. Den berühmten Satz „Wer Kunststoff kennt, nimmt Stahl“ höre ich immer wieder. Das ist der Grund für Wettbewerbe wie unseren Manus mit der Aufforderung: beschäftigt euch damit, was Kunststoff heute zu leisten vermag.
KEM: Igus bietet heute das am Weltmarkt wohl breiteste Programm an tribo-optimierten Kunststoffgleitlagern an. Wie lässt sich dieser Erfolg erklären?
Baus: Wir konzentrieren uns ausschließlich auf Kunststoffe. Deshalb machen wir das so hartnäckig und bleiben am Ball. Schlussendlich hat diese Hartnäckigkeit dem gesamten Markt geholfen. Wir haben das Unsere dazu beigetragen, das Kunststoffgleitlager einzuführen. Deutschland, wo wir besonders aktiv sind, ist im internationalen Vergleich mit Sicherheit der Markt, auf dem das Kunststofflager am stärksten vorangekommen ist. Das zeigt, dass die technische Berechtigung absolut gegeben ist.
KEM: Woraus besteht ein Iglidur-Werkstoff eigentlich?
Baus: Die grobe Zusammensetzung basiert immer auf einer Kunststoffmatrix. Häufig ist dies ein Werkstoff, es kann aber auch eine Kombination aus mehreren Thermoplasten sein. Der Zusatz von Fasern bewirkt die mechanische Festigkeit sowie gewisse Leitfähigkeiten. All dies wird unterstützt durch Festschmierstoffe, die im Material eingebunden sind und sich nicht herauslösen können, wie etwa bei einem Sinterlager. Alle Gleitlager-Komponenten sind nicht schichtweise aufgetragen, sondern homogen miteinander vermischt. Daraus resultiert ein sehr gutes Verschleißverhalten bei allen Bewegungsarten.
KEM: Wie viele Iglidur-Hochleistungskunststoffe sind in den 30 Jahren entstanden?
Baus: Neben den in unserem Katalog beschriebenen 40 Rezepturen verarbeitet unsere Produktion regelmäßig noch einmal so viele, also 80 bis 100. Entwickelt werden aber sehr viel mehr. Darüber hinaus gibt es sogenannte RN-Werkstoffe. Diese Rezepturen haben sich in den Tests bewährt und sie verhalten sich in ihren Eigenschaften wie ein Iglidur-Material. Das bedeutet, dass sie getestet und online berechenbar sind. Wie bei Iglidur-Gleitlagern lässt sich die Lebensdauer der Gleitlager aus diesem Werkstoff präzise auf der Basis von realen Labortests berechnen.
KEM: Entscheidet grundsätzlich der Kunde, ob ein Werkstoff weiterentwickelt wird oder nicht?
Baus: Immer. Unsere Kunden liefern uns sehr viele Anhaltspunkte, wohin wir entwickeln müssen. Zumeist weiß ein Anwender recht genau, was er braucht. Dann entwickeln wir weiter in diese Richtung und erfinden auf diese Weise neue Materialien.
KEM: Ist der Manus-Wettbewerb, mit dem Igus vor allem mutige Lösungen auszeichnet, auch ein Treiber für Ihre eigenen anwendungsorientierten Lösungen?
Baus: Den Wettbewerb zeichnen vor allem die vielfältigen Anwendungen aus. Extrem hilfreich sind dabei die vielen Gespräche mit den Anwendern, nicht nur mit den drei Erstplatzierten, sondern mit allen. Die Teilnehmer sagen uns, warum sie die Kunststoffgleitlager einsetzen und was sie sich noch wünschen. Und auch generell freuen wir uns über jede Rückmeldung. Denn nur so ist es möglich, direkt nah am Kunden zu sein und für seine Anwendung jeweils das individuell passende Iglidur-Gleitlager anzubieten. I
Igus, Tel.: 02203 9649-128, gbaus@igus.de
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