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Rapid Manufacturing für Serien mit hoher Komplexität

Rapid Manufacturing
Rapid Manufacturing für Serien mit hoher Komplexität

Was früher als unbezahlbar galt, rückt jetzt in den Bereich des Möglichen, denn nach Rapid Prototyping kommt Rapid Manufacturing. Die Prozesse, die Bauteile schichtweise entstehen lassen, erlauben heute eine schnelle, kostengünstige Produktion von Bauteilen direkt aus den CAD-Daten.

Bisher mussten Produkt-Designer Rücksicht darauf nehmen, was in der Fertigung überhaupt machbar ist. Mit Rapid-Verfahren entfällt dieser Zwang: Nach einer Computervorlage entsteht auf Knopfdruck jeder gewünschte Gegenstand. Eine Art 3D-Drucker baut Schicht für Schicht Bauteile vom Unikat bis zur Serie in die Höhe, beispielsweise Sonnenbrillen oder Designerschuhe aber auch Zahnersatz oder Flugzeugteile – und das in jeder noch so komplizierten Gestalt. Setzt sich Rapid Manufacturing (RM) also durch, wird künftig wohl niemand mehr ein Produkt von der Stange kaufen wollen, denn die Verfahren geben Massenprodukten ihr individuelles Gesicht.

RM bewegt sich in immer mehr Anwendungsgebieten von der Vision zur Realität. Bisher haben sich die Verfahren bei Hörgeräteschalen genauso etabliert wie beim individuellen Zahnersatz. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Anwendungen , beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt, in der Medizintechnik, dem Sondergerätebau oder der Schmuckindustrie. Der Anteil der RM-Teile, die direkt als Endprodukt eingesetzt werden, liegt etwa bei 12 % (Wohlers Report 2007, S. 23). Aber Experten sind sich einig, dass der generativen Fertigung die Zukunft gehört.
Laser-Sintern für VW-Schalthebelknauf
Immer wieder glänzen einzelne Produkte als Pionieranwendungen, die den Individualisierungsgedanken aufgreifen und so die kaum geahnten Möglichkeiten in der Fertigung zeigen. VW beispielsweise rüstet sein Konzeptfahrzeug GX3 mit einem Schalthebel aus Edelstahl aus. Den Knauf im edlen Golfball-Design fertigte EOS per Direktem Metall Laser-Sintern (DMLS). „Dafür reichen die STL-Daten des 3D-CAD-Modells“, sagt Dr. Christof M. Stotko, Marketingleiter von EOS. Bei diesem Verfahren wird pulverförmiges Ausgangsmaterial – hier Edelstahl – lokal von einem Faserlaser aufgeschmolzen. Anschließend wird neuer Werkstoff aufgetragen und wieder dort lokal aufgeschmolzen, wo das Produkt entstehen soll. Schicht für Schicht erfolgt die Bearbeitung um eine Dicke von 20 µm. Die vom Laser zugeführte Energie schmilzt das Edelstahlpulver komplett auf – so entsteht ein durch und durch solider Schaltknauf, der in seinen Materialeigenschaften einem gefrästen in Nichts nachsteht, aber besser aussieht und mehr bietet.

DMLS ermöglicht neues Produktdesign
Damit generative Fertigungsverfahren neben Ur- und Umformen oder Spanen die Produktion sinnvoll ergänzen, erfordert es eine neue Auslegung des Produktdesign und der Konstruktion. „Es gibt verschiedene Parameter, die berücksichtigt werden müssen, beispielsweise die Wandstärke“, erklärt Stotko. Gerade bei hohen, dünnen Wänden, kann man mit DMLS Geometrien erzeugen, die spanend kaum machbar sind.
Durch Ausnutzen der gewonnenen Freiheiten in der Konstruktion lassen sich Bauteile einsparen und Baugruppen zusammenfassen, die bisher aus mehreren Einzelteilen montiert werden mussten. „Man muss zudem beachten, dass es zwischendurch Schichten geben kann, wo das Pulver nicht belichtet und damit auch nicht verfestigt werden muss. So kann man beispielsweise funktionsfähige Scharniere in einem Arbeitsgang bauen“, erklärt Stotko weiter. Das spart nicht nur Komponenten, auch die Fertigungsschritte reduzieren sich.
So profitiert EOS auch vom Interesse der Künstler: Beispielsweise wurde eine Handtasche mit EOS-Technologie für Janne Kyttänen gefertigt, die nur aus Kunststoffringen etwa der Größe eines 10-Cent-Stückes besteht. Jeder Ring ist mit seinen Nachbarn so verhakt, dass ein Netz entsteht. „Maschinell wäre das nicht möglich gewesen“, so der Marketingleiter.
EOS hingegen verteilt auch beim Laser-Sintern von Kunststoff zunächst eine dünne Pulverschicht auf einer Arbeitsunterlage, die ein Laserstrahl genau dort zum Schmelzen bringt, wo später Kettenglieder entstehen sollen. Beim Abkühlen erstarren die geschmolzenen Stellen und werden zu festem Kunststoff. Ist die erste Schicht fertig, geht´s von vorne los. Lage um Lage wächst die Handtasche nun in die Höhe. Sie ist nach 5 h fertig und geht für rund 400 € bei Freedom of creation (www.freedomofcreation.com) über den Ladentisch.
Solche Luxus-Produkte werden in erstaunlichen Mengen produziert. Weitere Beispiele sind Designer-Sonnenbrillen, die sich aufgrund der besonderen Stegform nicht industriell herstellen ließen, oder Stilettos im Paris-Design, deren Eiffelturm-Absatz anders nicht zu fertigen gewesen wäre.
Auch die Industrie kann profitieren
Von den Einsatzmöglichkeiten des RM werden also zunächst Branchen profitieren, die hochwertige Produkte auf den Markt bringen. Neben dem gehobenen Consumer-Bereich sind das etwa die Luft- und Raumfahrt, die Medizintechnik oder die Schmuck- und Modebranche. Doch auch wenn diese Beispiele aus Sicht der Maschinenbauer exotisch wirken, gibt es auch hier genug Bauteile, deren Geometrie sich generativ effizienter fertigen lässt als herkömmlich. „Das beste Argument haben wir natürlich immer dann, wenn Bauteile sich auf anderem Wege gar nicht fertigen lassen“, erklärt Stotko und zeigt beispielhaft auf einen Kühldorn für Werkzeuge. Diese Dorne werden bei der Laserbearbeitungscenter GmbH in Serie produziert. „Obwohl es sich dabei immer um identische Bauteile handelt, ist die Stückzahl nach oben hin unbegrenzt, weil es keinen anderen Fertigungsweg gibt“, freut er sich weiter. Dem Endkunden bietet dieser Kühldorn enormen Mehrwert indem sich Zykluszeiten und Teilequalitäten verbessern lassen.
Neue Werkstoffe steigern die Möglichkeiten
Der schier unbegrenzten gestalterischen Freiheit steht bislang eine begrenzte Zahl an Werkstoffen gegenüber. Wählen Ingenieure im Maschinenbau zwischen tausenden Materialien, verarbeitet man bei RM nur einige Dutzend Spezialwerkstoffe, beispielsweise Kunststoffe, Metall oder Keramik. „Wir arbeiten aber ständig an neuen Materialien“, ist Dr. Christof Stotko zuversichtlich.
Aktuelles Beispiel ist PA 2210 FR, den Paramount PDS zum Rapid Manufacturing von über einem Dutzend Komponenten in Verkehrsflugzeugen einsetzt. PA 2210 FR ist das erste flammgeschützte Polyamid zum Laser-Sintern und hat die Klassifizierung V0 gemäß UL94 erreicht. Zudem ist es frei von Halogenen. Jim Williams, Paramount PDS-Geschäftsführer erläutert: „Laser-Sintern mit PA 2210 FR ermöglicht es unserem Kunden, die Durchlaufzeiten drastisch zu kürzen und gleichzeitig die Werkzeugkosten zu eliminieren.”
Weitere Beispiele für Materialentwicklungen bei EOS sind die 2006 eingeführten Metalle „Cobaltchrome“ MP1 und SP1 sowie „Stainlesssteel 17-4“. Cobaltchrome MP1 ist eine sehr feinkörnige Pulvermischung für das Laser-Sintern, um Bauteile aus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-basierten Superlegierung herzustellen. Diese zeichnet sich durch hohe Festigkeit, Härte, Korro- sionsbeständigkeit und Temperaturbeständigkeit aus. Cobaltchrome MP1 ist nickelfrei und sterilisierbar. Die lasergesinterten Bauteile zeichnen sich durch ein feines, gleichmäßiges Gefüge aus. Anwendungen finden sich in der Biomedizin oder in Flugzeugtriebwerken.
Stainlesssteel 17-4 ist ein vorlegierter Edelstahl in feiner Pulverform. Er zeichnet sich durch sehr hohe Korrosionsbeständigkeit, gute mechanische Eigenschaften und sehr gute Duktilität ohne weitere Nachbehandlung aus. Einsatz findet der Werkstoff in Industrieanwendungen einschließlich Funktionsteilen, Kleinserien, Unikaten oder Ersatzteilen.
EOS hat aber noch eine Reihe weiterer Metalle im Angebot, beispielsweise Maragingsteel MS1 oder Titan. Der martensitaushärtende Werkzeugstahl mit der Bezeichnung 1.2709 erreicht im nachgehärteten Zustand eine Zugfestigkeit von 1950 MPa und eine Härte von bis 54 HRC. Titanium Ti64 ist ein vorlegiertes Ti6AlV4-Pulver.
Standard-Bauparameter schmelzen das Pulver im ganzen Bauteil komplett auf. Bauteile die mit DMLS von EOS hergestellt wurden, können maschinell bearbeitet, draht- und senkerodiert, geschweißt, mikro-gestrahlt, poliert und beschichtet werden. Unbelichtetes Pulver kann wieder verwendet werden.
Bewegungen ohne Einfluss auf das Bauteildesign
Lernte früher der Student, dass kein Kunststoffteil ohne Entformungsschrägen hergestellt werden kann und dass Hinterschnitte zu vermeiden sind, gilt diese Regel heute nicht mehr unbedingt. Restriktionen werden durch den Einsatz von Laser-Sintern immer mehr aufgeweicht. Die Kraillinger arbeiten deswegen mit Hochschulen, Konstruktionsbüros und Schlüsselkunden zusammen, um genau an diesem Punkt rasche Aufklärungsarbeit zu leisten. Vielleicht lassen wir uns dann eines Tages funktionsfähige Handys ausdrucken.
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