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„mecPro2 integriert MBSE und PLM“

Ergebnisse des Verbundprojekts
„mecPro2 integriert MBSE und PLM“

Drei Jahre lang haben 12 Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundsprojekts mecPro2 untersucht, wie der modellbasierte Entwicklungsprozess für cybertronische Produkte und Produktssysteme aussehen könnte. Prof. Dr. Martin Eigner, Initiator des Projekts, und Konsortialführer Dr. Walter Koch von der Schaeffler Gruppe, erläutern im Interview die wichtigsten Erkenntnisse.

Interview: Michael Wendenburg, Fachjournalist, Sevilla

KEM Konstruktion: Prof. Eigner, Sie haben ja schon manches Forschungsprojekt realisiert. Was war das Besondere an mecPro2, abgesehen von der Größe des Projekts?
Eigner: Ich erinnere mich an kein Projekt mit so vielen Teams und ich hatte am Anfang ehrlich Angst, dass jeder isoliert vor sich hin arbeitet. Diese Angst hat sich gelegt, als wir angefangen haben, unsere Ideen in den beiden Demonstratoren konkret umzusetzen. Plötzlich war die ganze Mannschaft begeistert, weil sie gesehen hat, dass es tatsächlich funktioniert. Die Demonstratoren sind deshalb für mich das Besondere an dem Projekt.
KEM Konstruktion: Der Start des Projekts war ziemlich zäh, wie Sie, Herr Dr. Koch, erwähnt haben. Was waren die wesentlichen Schwierigkeiten?
Koch: Die Antragsphase hat mehr als anderthalb Jahre gedauert. Das hatte zur Folge, dass viele Experten, die dabei eingebunden waren, dann mit dem Beginn des Projektes nicht mehr zur Verfügung standen. Als wir schließlich loslegt haben, stellten wir fest, dass die nun Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungshaltungen hatten. Wir mussten uns zum Beispiel erst einmal auf ein gemeinsames Verständnis des Begriffs ‚cybertronische Produkte‘ einigen, weil wir sonst aneinander vorbeigeredet hätten. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass diese Klärung einer der Erfolgsfaktoren des Projekts war, ohne den wir nachher nicht so schnell vorangekommen wären und so viele Ergebnisse produziert hätten.
KEM Konstruktion: Sie haben in dem Projekt viele Handlungsfelder abgedeckt, von der Definition eines Referenzprozesses bis zur PLM-Integration des Model Based Systems Engineerings (MBSE). In welchem gab es denn aus Ihrer Sicht die größten Durchbrüche?
Eigner: Die PLM-Integration war eher Handwerkszeug. Wir haben da einfach die bewährten Methoden für logische Verknüpfungen aus der Elektrotechnik und Elektronik übertragen. Die Aufnahme der bestehenden Mechatronik-Prozesse hingegen war eine echte Sisyphosarbeit. Diese lieferte jedoch eine Blaupause für jede Firma, die interdisziplinäre Prozesse aufsetzen möchte. Das wichtigste Ergebnis war in meinen Augen die Beschreibungssystematik, das heißt die Art, wie wir cybertronische Produkte und Produktionssysteme in SysML beschrieben haben – weil diese in die Normung von OSLC und anderen Standards einfließen wird. Wir haben es geschafft, aus neun unterschiedlichen Systematiken das Beste herauszufiltern.
KEM Konstruktion: Wenn ich das richtig verstehe, geht es um die Art, wie mit SysML modelliert wird. Ein Art ‚Kochbuch‘?
Eigner: Richtig, es ist eine Methodik, um SysML dadurch besser anwendbar zu machen, dass man die Vielzahl an Artefakten einschränkt. Man kann die Systematik in Form eines Profils in den Editor einlesen und dann funktionieren auch nur noch diese Elemente.
KEM Konstruktion: Der Referenzprozess sieht auf dem Papier sehr fein granular aus. Haben Sie den in Ihrer Organisation schon umgesetzt?
Koch: Nein, noch nicht. Wir haben aber einige bewährte Aspekte aus unserem gegenwärtigen Produktentstehungsprozess für mechatronische Produkte in das Projekt für den Referenzprozess eingebracht, etwa die modulare Struktur. Da der Referenzprozess des mecPro2-Projekts eine ähnliche Grundstruktur hat, haben wir jetzt die Möglichkeit, die neuen Prozessmodule, die in mecPro² entstanden sind, relativ einfach in unseren Schaeffler-PEP einzubinden.
KEM Konstruktion: Prof. Eigner, Sie sagten eben, die PLM-Integration sei nur Handwerkszeug, aber genau da gibt es doch noch viele offene Fragen und fehlende Standards? Sind Sie an dieser Stelle nicht weitergekommen?
Eigner: Doch, sehr wohl. Im Rahmen des Projekts haben wir ein Teilprojekt ausgelöst, das sich Krake nennt und ähnlich wie OSLC mit der REST-Technologie arbeitet. Sie ermöglicht es, Informationselemente wie Internetseiten zu verlinken. Ich wundere mich nur, warum es 17 Jahre gedauert hat, bis jemand diese Technologie für das PLM entdeckt hat. Damit haben die PLM-Monolithen eigentlich keine Zukunft mehr, denn man braucht nicht mehr alles zwanghaft in eine zentrale Datenbank zu packen.
KEM Konstruktion: Wie wird sich denn die PLM-Landschaft bei Schaeffler durch mecPro2 verändern?
Koch: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, denn das Projekt ist ja noch nicht einmal abgeschlossen. Wir führen intern gerade die Diskussion, wie wir die Ideen aus dem Projekt basierend auf unseren eingeführten IT-Tools umsetzen können. Unsere Vorstellung geht darin, eine leichtgewichtige Schicht darüber zu legen, in der die Informationen nicht kopiert, sondern einfach nur verlinkt werden.
KEM Konstruktion: Eine Abschlussveranstaltung wie die hier in Herzogenaurach reicht nicht aus, um die Ergebnisse einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Was gibt es diesbezüglich für Pläne?
Eigner: Wir schreiben gerade statt des normalen Abschlussberichtes ein Buch, das Ende des Jahres auf den Markt kommen wird. Wir wollen die Informationen so breit wie möglich streuen, denn das Interesse ist groß. Das beweist allein die hohe Teilnehmerzahl an der Abschlussveranstaltung, die mich echt beeindruckt hat.
KEM Konstruktion: Wie sieht das aus Sicht von Schaeffler aus? Die Projektergebnisse sind ja durchaus ein Wettbewerbsvorteil? Sind Sie denn bereit, die zu teilen?
Koch: Es gibt einen Konsortialvertrag, an dem die Juristen aller Partner mitgewirkt haben, in dem klare Regeln für die Veröffentlichung der Ergebnisse festgelegt wurden. An die sind wir natürlich gebunden. Das Ideale wäre natürlich, wenn man die Ergebnisse in einer komplett neuen IT-Lösung implementieren könnte.
KEM Konstruktion: Was hat der Chef eines mittelständischen Unternehmens von dem Projekt? Wie kann er das in seinem Betrieb umsetzen?
Eigner: Wir von der TU Kaiserslautern sind in der glücklichen Lage, dass wir gleichzeitig Mitglied des vom BMWi geförderten Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums sind. Das ist kein wissenschaftliches Forum, sondern ein Forum für den Technologietransfer. Wir haben dadurch viele Kontakte zu Mittelständlern, mit denen wir solche Themen diskutieren, auch wenn wir das nicht immer Industrie 4.0 nennen. Da finden wir immer wieder Firmen mit tollen Produkten, die oft schon Sensoren haben, ohne ihr Potential voll auszuschöpfen. Für einen der Marktführer im Lichtbogenschweißen haben wir etwa ein neues Servicekonzept entwickelt, wie er mithilfe der Sensordaten Ausfälle frühzeitig erkennen und seine Kunden bei der Optimierung der Schweißprozesse unterstützen kann.
KEM Konstruktion: Wie praxistauglich sind die Demonstratoren, in denen die Projektergebnisse eingeflossen sind? Werden wir so etwas in absehbarer Zeit auch bei Schaeffler sehen?
Koch: Wir werden wahrscheinlich keinen neuen Systemhersteller in unsere IT-Landschaft integrieren, aber da die Methoden übertragbar sind, werden wir sie an unsere Tool-Vendoren weitergeben. Wir diskutieren mit ihnen, welches unsere Kernanforderungen sind und wo sie sich beziehungsweise ihre Systeme weiter entwickeln müssen. Es gibt da auf Seiten der Systemhersteller noch viel zu tun.
Eigner: Aber wir haben zumindest eine Blaupause. Insbesondere das was Contact Software und Siemens umgesetzt haben, ist ein gutes Beispiel dafür, wie so etwas integriert werden kann.
KEM Konstruktion: Hat mecPro2 den Nachweis erbracht, dass die heutigen PLM-Systeme in der Lage sind, sich zu SystemsLifecycle-Management-Systemen weiter zu entwickeln?
Koch: Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Manche PLM-Hersteller, deren Systeme eine bestimmte Architektur haben, sind in der Lage, diese Funktionalität hinzuzufügen. Und Contact Software ist sicher einer davon.
Eigner: Ich meine auch, dass die Aussage so pauschal falsch ist – sonst würde ich mir ja widersprechen, weil ich gerade einen Vortrag gehalten habe, dass die PLM-Systeme sich komplett ändern müssen, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.
KEM Konstruktion: Was müssen die PLM-Hersteller denn beispielsweise ändern?
Eigner: Was gar nicht mehr geht, ist das Geschäftsmodell mit teuren Lizenzverkäufen, Wartungsgebühren etc. – und wenn der Kunde dann nach zwei Jahren eine neue Version bekommt, zahlt er noch mal ein Drittel bis die Hälfte der Kosten, um das ganze Customizing nachzuziehen. Das ist absolut anachronistisch und liegt nur daran, dass die Datenmodelle intern nicht sauber verwaltet werden. Moderne PLM-Systeme verwalten das modifizierte Datenmodell im Repository und können dadurch nachvollziehen, was der Kunde bekommen hat und was nachträglich customisiert wurde. Und sie machen bei Erweiterungen des Datenmodells Vorschläge, wie die neuen Objekte im GUI abgebildet werden könnten, so dass man die Bedienoberfläche nicht immer komplett neu zu programmieren braucht. co
Hinweis:Um die Ergebnisse des Verbundprojekts mecPro2 einem möglichst großen Kreis von Interessenten zugänglich zu machen, sollen sie wie erwähnt Mitte 2017 in Buchform beim Springer-Verlag veröffentlicht werden.

Zu den Personen

info

  • Dr.-Ing. Walter Koch ist Konsortialführer für das Verbundprojekt mecPro2 (Modellbasierter Entwicklungsprozess cybertronischer Produkte und Produktionssysteme) und Leiter Forschungs- und Entwicklungsprozesse bei der Schaeffler AG in Herzogenaurach.
  • Prof. Dr.-Ing. Martin Eigner ist fachlicher Ansprechpartner für das Verbundprojekt mecPro2 und hat den Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung der Technischen Universität Kaiserslautern inne.
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