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Per Stufenplan zur digitalen Kompetenz

Das Internet der Dinge wird auch Unternehmen intern umkrempeln
Per Stufenplan zur digitalen Kompetenz

Die Digitalisierung der Wirtschaft macht bei Firmen jeder Branche und jeder Größe den Aufbau von digitaler Kompetenz im eigenen Haus notwendig. Der damit verbundene Veränderungsprozess ist umfassender, als viele wahrhaben möchten.

Der Autor: Jannis Moutafis, freier Journalist, München

Eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte bringt es auf den Punkt: „Denjenigen, die glauben, bei der Digitalisierung gehe es um den Aufbau von Social-Media-Kapazitäten oder um die Entwicklung einer modernen Website, sei gesagt: Digitale Technologien werden ganze Wertschöpfungsketten, Organisationsstrukturen, operative Prozesse und Erlösmodelle umkrempeln. Sie werden jede Branche und jedes Unternehmen verändern.“
Digitale Kompetenz sollte also besser nicht als etwas verstanden werden, das sich isoliert in einer neu geschaffenen Abteilung aufbauen lässt. Zwar muss es zu allererst so etwas wie eine Keimzelle dafür geben, doch diese kann nur als Startpunkt eines Veränderungsprozesses gesehen werden, der jeden Winkel eines Unternehmens erreichen muss.
Geht es nach Deloitte, steht am Anfang dieses Prozesses eine Analyse der Situation in der eigenen Branche. Die Unternehmensberatung schlägt vor, sich dafür mit drei grundlegenden Fragen zu beschäftigen:
  • Inwiefern wird die Digitalisierung meine Branche und meine Firma betreffen?
  • Wann wird das geschehen?
  • Was sind die nächsten Schritte, um die Rolle meines Unternehmens in der digitalen Welt von morgen neu zu definieren?
In anderen Worten: Firmen müssen sich Gedanken darüber machen, was sie sind, was sie können und was sie in einer digitalisierten Welt sein wollen, um sich auf die neue Situation und möglicherweise eine neue Konkurrenz einstellen zu können.
Die nächste Hürde ist das Erfassen der Möglichkeiten, die die Technik bietet, um sich eine Aufwertung der eigenen Produkte vorstellen zu können. Die Möglichkeiten sind dabei je nach Branche unterschiedlich. „Ich muss mich zunächst mit der Frage beschäftigen, wie ich meine Produkte intelligenter machen kann und welchen Nutzen das für mich als Hersteller hat“, sagt Robert Gögele, beim IT-Dienstleister Avanade verantwortlich für das Geschäft im deutschsprachigen Raum. „Wenn ich etwa ein Pumpenhersteller bin, könnte die Fragestellung sein, ob ich meine Pumpen künftig mit Sensoren versehen kann, um sie aus der Ferne im Betrieb zu überwachen. Mithilfe der Überwachungsdaten kann ich einen Ausfall vermeiden, indem ich ihn vorhersehe und die Pumpe warte oder austausche, und dabei mein Produkt grundsätzlich ausfallsicherer machen.“
Bei diesem Beispiel wird allerdings auch klar, dass nicht jede gute Idee automatisch zu neuen Erlösen führt. Doch der Aufwand mit den Sensoren kann sich lohnen, wie man inzwischen in der Automobilbranche weiß. „Autohersteller gehen mit ihren Plänen so weit, dass sie praktisch jede Komponente in einem Auto überwachen wollen“, bestätigt Gögele. „Sie haben festgestellt, dass viele Komponenten over-engineered, also überzüchtet sind. Warum muss man beispielsweise einen elektrischen Fensterheber für zwei Millionen Betätigungen auslegen, wenn er über die Lebensdauer eines Fahrzeugs nur 50 000 mal betätigt wird. Durch die Überwachung kann ich die Produkte nur so gut machen, wie sie sein müssen, und das wirkt sich auf die Produktionskosten und den Kaufpreis eines Fahrzeugs aus.“ Firmen seien jetzt gefordert, zu experimentieren, was wiederum Investitionen voraussetzt. Da man aber den Business Case noch nicht kennt, ist man gerne zurückhaltend und schaut lieber erst, was sich um einen herum so entwickelt. „Das aber birgt das Risiko, dass sich die Konkurrenz in der Zwischenzeit Vorteile verschafft“, warnt Gögele. Ermutigend sei aber, dass viele Firmen dedizierte Teams auf solche Aufgaben ansetzen und diese mit Hochdruck daran arbeiten lassen, weil sie das als Differenzierungschance sehen gegenüber dem Wettbewerb.
Glaubt man der Studie von Deloitte, ist es in Deutschland mit der digitalen Transformation noch nicht weit hin. Das Beratungshaus misst digitale Fähigkeiten mitunter danach, dass es im Unternehmen einen hochrangigen Manager gibt, der explizit für die digitale Agenda verantwortlich zeichnet. Diese Rolle kann entweder von einem Mitglied der Geschäftsleitung wie dem Geschäftsführer, dem Cheftechniker oder dem IT-Chef wahrgenommen oder mit der Position eines Chief Digital Officers (CDO) neu geschaffen werden. Als Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Position sieht Deloitte die Präsenz des CDO in der Unternehmensleitung und einen Einfluss auf das Budget des Unternehmens.
„Damit der Wandel ein organisatorischer und wirtschaftlicher Erfolg werden kann, muss die verantwortliche Person nicht nur mit den notwendigen Einfluss- und Steuerungsmechanismen ausgestattet sein, sondern auch über einen großen professionellen Erfahrungsschatz verfügen sowie eine Vielzahl an persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringen“, sagt Andreas Harting, Partner bei Deloitte Digital. Laut Harting haben CDOs zuvor vier bis fünf verschiedene leitende Positionen in Digital-, Technologie- und/oder Beratungsunternehmen bekleidet. Diese vielseitige Erfahrung sei notwendig, „um bestehende Silos im Unternehmen aufzubrechen, alles Existierende zu hinterfragen und die gesamte Organisation auf eine gemeinsame digitale Vision einzuschwören, ohne dabei traditionelle Prozesse und Strukturen zu missachten.“ Dass Leute mit solchen Qualitäten nicht gerade auf Bäumen wachsen, zeigen die Resultate der Deloitte-Studie. Lediglich 30 % der 102 untersuchten Unternehmen, die behaupten, eine Digitalstrategie zu haben und diese auch auszuführen, erfüllen die oben genannten Kriterien. Deloitte schließt daraus, „dass der digitalen Transformation bislang noch nicht die notwendige Wichtigkeit und Dringlichkeit beigemessen wird und die Verantwortlichen nicht genügend Einfluss haben, um das Thema nachhaltig im Unternehmen voranzutreiben.“
Koordination ist unerlässlich
Auch auf der zweiten Ebene, bei der Realisierung digitaler Projekte, fehlen Fachkräfte. „Wo sich zur Zeit alle schwer tun und wofür sie definitiv Leute brauchen, ist um a) zu identifizieren, was technisch oder betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, und b) intelligente Produkte zu bauen“, bestätigt auch Robert Gögele. Hier seien Leute gefragt, die die neuen Disziplinen der Informationstechnologie beherrschen, beispielsweise Daten analysieren oder Benutzerschnittstellen entwerfen (Data Scientists und User Experience Designer).
Fachkräftemangel ist nicht das einzige Problem. „Als zweitgrößte Hürde entpuppt sich die übergreifende Planung der digitalen Transformation, die trotz guter Unterstützung des Top-Managements fehlt“, erklärt Uwe Dumslaff, Cheftechnologie bei Capgemini. Bei einer neueren Erhebung seines Hauses fehlte diese bei 45 % der befragten Unternehmen. „Wahrscheinlich haben diese versäumt, vorab eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln“, sagt Dumslaff. In der Folge würden einzelne Abteilungen loslegen und das umsetzen, was sie für sinnvoll halten, statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das kann sich jedoch nachteilig auswirken, denn die Verfügbarkeit von IT-Anwendungen für alle Bereiche eines Unternehmens ist äußerst sinnvoll. Datenanalyse kann beispielsweise nicht nur zu einer besseren Finanz- oder Materialplanung beitragen, sondern auch um herauszufinden, wie sich Kunden verhalten und was sie wirklich brauchen. Wenn jede Abteilung ihr eigenes Süppchen kocht, hat man zum Schluss einen zueinander inkompatiblen Anwendungs-Zoo. I
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